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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© dpa

Türkei: Warum Erdogan von Trumps Strafzöllen profitiert

Der US-Präsident und sein türkischer Amtskollege machen Politik wie beleidigte Teenager. Dabei sind Trumps Zollerhöhungen für Erdogan ein Gottesgeschenk. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Was wie ein Showdown zwischen Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan in bester Western-Manier aussieht, birgt in sich die Gefahr eines großen Konflikts. Der ungebremste wirtschaftliche Niedergang der Türkei wird schnell massive Auswirkungen auf die gesamte Europäische Union, vor allem die besonders engagierten französischen und spanischen Banken haben. Noch weitreichender, weil von global-strategischer Bedeutung, wären eine Abwendung der Türkei von der Nato und eine Bindung an Russland.

Dramatisch könnte das Geschehen werden, weil hier zwei Politiker aufeinander treffen, die zu emotional und aufbrausend sind, um die langfristigen Folgen ihrer spontanen Handlungen und Gesten zu bedenken. Trump und Erdogan agieren wie beleidigte pubertierende Jugendliche. Vordergründig geht es um eine Frage der Ehre. Tatsächlich geht es um Recht und Unrecht. Der türkische Präsident fordert von den USA die Auslieferung des Geistlichen Fethullah Gülen, den er für den Drahtzieher hinter dem gescheiterten Putsch vom Juli 2016 hält, ohne dass türkische Gerichte oder Ankläger dafür irgendeinen Beweis vorlegen können. Der amerikanische Präsident verlangt von der Türkei die Freilassung des verhafteten US-Pastors Andrew Brunson, von dem Erdogan behauptet, er sei ein Sympathisant von Terroristen, ohne auch hier einen Beleg für die Stichhaltigkeit des Vorwurfs vorlegen zu können.

Auch wer Trump nicht unbedingt für einen Sympathieträger hält, muss zugeben, dass sich hier eine klare rechtsstaatliche Position auf amerikanischer und eine brutale Geiselnahme auf türkischer Seite gegenüberstehen. Indem Donald Trump nun aber die Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei massiv erhöht, um die Freilassung Brunsons zu erreichen, setzt er einer plumpen Erpressung durch Erdogan eine eigene, nicht weniger unbedachte entgegen.

Erdogans Uneinsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge

Für Erdogan ist, ganz im Gegenteil, die Zollerhöhung erneut ein propagandistisches Gottesgeschenk, so wie jenes, als er in der Nacht des 15. Juli 2016 den gescheiterten Putsch als Gottesgeschenk gepriesen hatte. Die niedergeschlagene Revolte bot ihm damals den Vorwand, alle tatsächlichen und vermeintlichen Gegner und einfach alle ihm unbequemen Menschen zu entmachten. Nun kann er die massive Wirtschaftskrise der Türkei, an der ausschließlich seine Politik schuld ist, einer angeblich von Trump in Stellung gebrachten, amerikanisch-zionistischen Intrige anlasten. Damit holt er wieder das Gespenst einer vom internationalen Judentum angezettelten Verschwörung gegen den türkischen Staat hervor. Das soll ihm die Solidarität der arabisch-islamischen Welt sichern, als deren Führungsnation Erdogan schon lange die Türkei gerne etablieren würde.

Dazu würden dann auch die Distanzierung von der Nato und eine militärische Hinwendung zu Russland passen, gepaart mit wirtschaftlicher Anlehnung an China. Erdogans Problem: Die Neuorientierung der Allianzen löst nicht die Vielzahl der Konflikte, für deren Entstehen er ausschließlich selbst verantwortlich ist. Dazu gehört sein ausgeprägter und destruktiver Hass auf die Kurden, der seine aggressive Machtpolitik in arabischen Nachbarstaaten bestimmt und der ihn immer wieder in Konfrontation nicht nur zu den USA bringt. Am Niedergang der auf Pump finanzierten Wirtschaft sind seine Uneinsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge und seine Personalpolitik schuld. Er setzt auf Loyalität statt auf Kompetenz. Der eigene Schwiegersohn als Finanzminister, das ist keine Maßnahme, die die Märkte beruhigt.

Ökonomische Stabilität können ihm Peking und Moskau nicht bringen. Tatsächlich hilft Erdogan im Moment nur mehr Nähe zu Europa und nicht Abwendung vom Westen. Ohne eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit wird das aber nicht gelingen. Wenn die EU die Türkei davon überzeugen kann, dass gute Politik nicht die ist, bei der es am lautesten knallt, wäre allen gedient.

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