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Geschenk mit Symbolkraft. Die Kanzlerin überreicht Gastgeber Erdogan eine Friedenstaube, gefertigt von einer neunjährigen Schülerin aus Unna. Foto: AFP

© REUTERS

Türkeibesuch der Kanzelerin: Aufwartung mit Friedenstaube

Der Empfang in Ankara war frostig. Doch Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Erdogan nähern sich an – zumindest in der Frage der Gymnasien.

Zauberkünstler ziehen hin und wieder einen Hasen aus dem Hut. Bei Angela Merkel war es eine Taube. In Ankara überreichte die Kanzlerin dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Montag eine von einer Schülerin im nordrhein-westfälischen Unna gebastelte Friedenstaube mit Begleitbrief. Der als politisches Raubein gefürchtete Erdogan, der sich noch kurz vor Merkels Besuch öffentlich über sie beschwert hatte, lächelte gerührt. Das Eis war gebrochen.

Das zeigte sich auch knapp zwei Stunden später bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Merkel und Erdogan. Selbst bei der Forderung des türkischen Ministerpräsidenten nach Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland, die in den vergangenen Tagen für so viel Wirbel gesorgt hatte, gab es eine Annäherung. Anders als in bisherigen Interviewäußerungen zeigte sich Merkel nun offen für Erdogans Wunsch, auch wenn sie betonte, dass türkische Schulen kein Vorwand sein dürften, das Deutschlernen zu vernachlässigen. Dem konnte auch Erdogan zustimmen. In türkischen Regierungskreisen hieß es, die deutsche und die türkische Seite seien sich einig, dass in Deutschland zweisprachige Schulen entstehen könnten.

Eine Entschärfung gab es auch im frisch aufgeflammten Streit um die türkische EU-Kandidatur. Vor ihrem Besuch hatte die Kanzlerin ihren Vorschlag einer „privilegierten Partnerschaft“ zwischen EU und Türkei als Ersatz für die angestrebte Mitgliedschaft der Türkei dargelegt, was Erdogan postwendend und schroff ablehnte. In Ankara wich Merkel zwar nicht von ihrer Linie ab, unterstrich aber den alten Grundsatz des „pacta sunt servanda“: Verträge sind einzuhalten. Das bedeutet, dass die Verhandlungen vorerst weiterlaufen.

Am Ende der Pressekonferenz lächelten Merkel und Erdogan in die Kameras, die Kanzlerin berührte den türkischen Premier sogar an der Schulter. Zu Beginn ihrer Unterredung seien die beiden Regierungschefs noch etwas kühl gewesen, doch das habe sich im Laufe des Gesprächs gegeben, sagte ein Teilnehmer.

Der Empfang für Merkel in Ankara am Mittag war recht frostig gewesen. Die Chefs der beiden größten Oppositionsparteien im türkischen Parlament lehnten ein Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin ab. Und beim türkischen EU-Unterhändler Egemen Bagis musste Merkel kurz nach ihrer Landung gleich ihren Vorschlag einer „privilegierten Partnerschaft“ erläutern. „Sie missverstehen uns“, sagte Merkel dabei laut Berichten der türkischen Seite. Natürlich stehe Deutschland dazu, dass die 2005 begonnenen Beitrittsverhandlungen weitergehen sollten. Nur eben „ergebnisoffen“ – ohne Garantie einer späteren Aufnahme.

Immerhin unterscheide sich die Haltung der Kanzlerin von der Totalopposition des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, heißt es im türkischen Außenamt. Solange die Deutschen die EU-Verhandlungen in Brüssel nicht blockieren, ist Ankara beruhigt: Wenn sich die Frage der EU-Aufnahme stelle, würden Merkel und Sarkozy ohnehin nicht mehr regieren, lautet die türkische Überlegung.

Doch auch ohne deutsche Bremse in Brüssel stocken die Verhandlungen. Bisher sind erst zwölf von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet worden. Acht Kapitel liegen wegen des Zypernstreits auf Eis, weitere Kapitel werden von den Franzosen blockiert, andere von den griechischen Zyprern. Wenn nicht bald etwas geschehe, seien bald keine verhandlungsfähigen Kapitel mehr übrig, sagt ein hochrangiger türkischer Diplomat. Schon am Ende des Jahres könnten die Verhandlungen deshalb kollabieren. Merkel vertrat in Ankara die EU-Ansicht, dass die Türkei nur ihre Häfen für Schiffe aus der griechischen Republik Zypern öffnen muss, wenn sie die acht gesperrten Kapitel öffnen will. Doch Ankara wartet auf die EU: Brüssel hatte 2004 zugesagt, die Isolation der türkischen Zyprer zu beenden – was wiederum wegen des Vetos der griechischen Zyprer bis heute nicht geschehen ist.

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