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Protest auf dem Potsdamer Platz gegen die Armenien-Resolution

© dpa

Türken und Armenien-Resolution: Von Fehlern und Versäumnissen

Die drei Millionen Menschen aus der Türkei sind nicht irgendwer. Deshalb darf der Konflikt wegen der Armenien-Resolution nicht weiter vor sich hin schmoren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Barbara John

Dass alle Parteien im Bundestag einen Beschluss zum Gedenken des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich gefasst haben, verärgert viele in Deutschland lebende Türken (ca. 80 Prozent). Sie fühlen sich unverstanden und übergangen. Aus ihrer Sicht will das deutsche Parlament ihnen diktieren, wie sie ihre Geschichte zu sehen haben.
Woraus speist sich diese starke Aufbäumpose? Sind unsere Bürger mit türkischen Wurzeln größtenteils nationalistische, autoritätsgläubige Sensibelchen, die keine Schatten anerkennen in ihrer jüngeren Geschichte? Vorsicht! Plakative Klischees verkleistern nur. Die drei Millionen Menschen aus der Türkei sind nicht irgendwer. Sie gehören dazu. Deshalb sollte der Konflikt auch nicht weiter vor sich hin schmoren. Wer erwartet hat, unsere türkischstämmige Bevölkerung würde dem Armenier-Beschluss breit zustimmen, vielleicht auch schweigend-nachdenklich zur Kenntnis nehmen, ist ein Phantast.
Schon ihren Urgroßeltern wurde in der Türkei eingetrichtert, warum die Vertreibung der armenischen Bevölkerung und die Massaker „nur“ ein normaler Krieg waren, um die bedrohte territoriale Einheit des Rest-Osmanischen Reiches zu retten. Der Völkermord-Vorwurf sei deshalb ein perfider Angriff auf die Ehre der Türkei. Diese Positionen haben viele Deutschtürken übernommen (manche leiden darunter). Und wer sich hier nicht so behandelt fühlt, wie Leute mit einem deutschen Namen, wie es viele Türkischstämmige erfahren haben (neue Emnid-Umfrage), der muss sich selbst behaupten und bekennt sich zu Herkunftspositionen.
Es gibt also gute Gründe, gerade über den Armenier-Beschluss ins gemeinsame Gespräch zu kommen. Der Bundestag hat in seiner Entschließung von der Bundesregierung zahlreiche Initiativen gefordert, um die Geschehnisse von 1915/1916 besser zu verstehen. Die Zielgruppe der türkischen Verbände, Organisationen, Moscheen in Deutschland kommt darin als Ansprechpartner nicht vor. Das ist ein Fehler und ein Versäumnis.

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