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Woher die Migranten kommen

© TSP/Pieper Meyer

Türkische Immigranten: Integration nicht abgeschlossen

Zuwanderer aus der Türkei sind einer Studie zufolge am schlechtesten integriert. Woran liegt das?

Die Kernaussage der Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung lautet: Türken sind schlechter gebildet, häufiger arbeitslos und gehen seltener Mischehen ein als andere Migrantengruppen in Deutschland. Deshalb sind sie laut der Studie am schlechtesten integriert. Liegt die Schuld dafür bei den integrationsunwilligen Türken oder bei der deutschen Gesellschaft, die die Zuwanderer nicht wirklich bei sich aufnehmen mag?

Die Autoren der Studie erklären diese mangelhaften Integrationsleistungen damit, dass ein Großteil der türkischen Migranten ohne Bildungsabschluss als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Dieses Defizit ist nach wie vor präsent – auch in der zweiten Generation, den in Deutschland geborenen Einwanderern. Diese machen zwar doppelt so häufig das Abitur wie ihre Elterngeneration, jedoch nur halb so oft wie Einheimische. Das liege auch am undurchlässigen deutschen Schulsystem, das Unterschichten prinzipiell den Zugang zu hochwertigen Ausbildungen erschwere, sagte der Direktor des Berlin-Instituts, Reiner Klingholz. Zudem sei die türkische Bevölkerung hauptsächlich in Großstädten angesiedelt, wo sie leichter unter sich bleiben könne. Vor allem zugewanderten Hausfrauen erschwere das den Zugang zur deutschen Sprache.

Woher kommen die Zuwanderer?

Ein Fünftel der Menschen, die in Deutschland leben, hat familiäre Wurzeln im Ausland, sie sind also Menschen mit Migrationshintergrund. Die Hälfte davon hat einen deutschen Pass. Die größte Gruppe sind Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetstaaten (rund vier Millionen). Türkische Migranten bilden die zweitgrößte Gruppe (2,8 Millionen), die Hälfte davon ist bereits in Deutschland geboren. Es folgen Zuwanderer aus den südeuropäischen Gastarbeiternationen Spanien, Portugal, Italien und Griechenland sowie den restlichen EU-Staaten. Hinzu kommen Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien, dem Fernen und Nahen Osten und aus Afrika.

Wie wurden die Daten erfasst?

Jedes Jahr wird in Deutschland ein repräsentativer Teil der Bevölkerung nach verschiedenen Kriterien befragt (Mikrozensus). Seit 2005 wird dabei auch die Frage nach der nationalen Herkunft gestellt. Diese vier Jahre alten Daten wertete das Berlin-Institut jetzt erstmals anhand eines eigens entwickelten Integrationsindex aus. Das Institut unterschied danach, wie gebildet die Migranten sind, wie erfolgreich sie am Erwerbsleben teilnehmen, wie gut sie finanziell abgesichert sind und wie sie sich mit den Einheimischen assimilierten. Außerdem wurde erfasst, wie Migranten der zweiten Generation sich gegenüber der ersten Generation entwickelten.

Wo und bei welchen Gruppen ist die Integration am erfolgreichsten?

Am besten integriert sind laut Studie die Migranten der EU-Länder (ohne die Südeuropäer) und die Aussiedler. Sie haben weniger Probleme auf dem Arbeitsmarkt und vermischen sich stark mit der einheimischen Bevölkerung. Auch die südeuropäischen Migranten haben ihre Beschäftigungsnische gefunden. Weniger gut integriert sind hingegen Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Afrika. Mit Abstand am schlechtesten funktioniert die Integration bei türkischstämmigen Migranten. In keiner anderen Herkunftsgruppe gibt es so viele Menschen ohne Schulabschluss. Sie haben die höchste Jugendarbeitslosigkeit. Und können ihre Bildungsdefizite auf dem Arbeitsmarkt nicht kompensieren. 32 Prozent von ihnen besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft und sind wesentlich besser integriert. Sie haben mehr und bessere Bildungsabschlüsse sowie häufiger Jobs als türkischstämmige Migranten ohne deutschen Pass.

Hessen schneidet im Ländervergleich der Studie am besten ab, was laut den Autoren der Studie vor allem an der ökonomischen Attraktivität des Rhein-Main-Gebietes für gut qualifizierte Zuwanderer liegen könnte. Danach folgt das wirtschaftlich prosperierende Hamburg, Schlusslicht ist das Saarland. Hier würden vor allem Migranten aus Südeuropa unter dem Strukturwandel der ehemaligen Kohle- und Stahlindustrie leiden.

Im Städtevergleich punkten Städte mit guten Arbeitsmarktwerten wie München, Bonn und Frankfurt. Klassische Industriestädte wie Nürnberg und Duisburg weisen dagegen laut Studie wenige Integrationserfolge auf. Berlin landete im Städtevergleich der Studie auf einem durchschnittlichen zehnten Platz. Einerseits haben hier 39 Prozent der Immigranten einen Hochschulabschluss, was mit großem Abstand das bundesweit beste Ergebnis ist. Andererseits leben aber auch besonders viele gering qualifizierte Zuwanderer in Berlin. Fast ein Fünftel hat keinen Abschluss, die Erwerbslosenquote ist mit 32 Prozent bundesweit die zweithöchste.

Wie fallen die Reaktionen auf die Ergebnisse der Studie aus?

Taciddin Yatkin, der Vorsitzende des Koordinierungsrates der türkischen Vereine in Deutschland, ärgert sich über die neue Debatte um die Integrationsprobleme der Türken in Deutschland. Er hält die Studie des Berlin-Instituts für „unglaubwürdig und sehr einseitig“. Die Untersuchung ignoriere, dass die Türken seit vielen Jahren Teil dieser Gesellschaft seien, viele sprächen längst gut Deutsch und zahlten Steuern, sagte der in Berlin lebende Yatkin.

Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, kritisierte die Interpretation der Studie. „Das sind nur nackte Zahlen aus dem Mikrozensus, wichtiger wäre eine tiefgehende Analyse der Integration von Türken in Deutschland“, sagte Kolat.

Armin Laschet (CDU), Deutschlands erster Integrationsminister, sieht in den Ergebnissen der Studie keinen Beleg für die Existenz einer Parallelgesellschaft. „Wir brauchen eine neue Aufsteigermentalität in Deutschland“, sagte der nordrheinwestfälische Minister. Die Botschaft, wenn du dich anstrengst, kannst du es schaffen, habe in Deutschland keinen großen Stellenwert. Diese Mentalität fehle schon hinsichtlich der bildungsfernen Deutschen – und noch mehr bei Zuwanderern. „Integration kann aber nur gelingen, wenn alle im Land eine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg haben.“

Wie neu sind die Erkenntnisse?

Dirk Halm, Migrationsforscher beim Zentrum für Türkeistudien, hat in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Diskussionen über Integrationsdefizite von Türken erlebt. „In diesem Fall handelt es sich nur um eine verdichtete Aneinanderreihung von neuen Indikatoren, die das reale Bild eher verklären“, sagte Halm. Vergleiche zwischen den einzelnen Herkunftsgruppen seien ohnehin sehr schwierig, weil die Ausgangsbedingungen immer unterschiedlich seien.

Ferda Ataman, Volker Rueß

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