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Der türkische Präsident Erdogan bei einer Rede Anfang Mai in Istanbul.

© Ozan Kose/AFP

Türkische Provokationen: Die Bundesregierung muss Erdogan die Grenzen aufzeigen

Nach der Verhaftung einer weiteren Deutschen in der Türkei stellt sich die Frage nach Sanktionen. Dabei geht es auch um unser Verständnis von uns selbst als Demokraten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und gleich die nächste Provokation. Nach dem Fall Yücel belastet die Inhaftierung einer weiteren Deutschen in der Türkei das Verhältnis noch weiter. Sechs Deutsche sind inzwischen in Haft. Wann wird es der Bundesregierung zu viel? Dass sie sich Sorgen macht, wie sie sagt, ist das Mindeste. Sie sollte sich jetzt aber auch Gedanken über Sanktionsmaßnahmen machen. Jetzt ernsthaft.

Es reicht eben nicht, immer mal wieder diplomatisch darauf hinzuweisen, dass das so alles nicht geht. Dass es also nicht statthaft ist, Zugang zu verwehren, und in jedem Fall unverhältnismäßig, Beschuldigte ohne legitimen Grund monatelang in Untersuchungshaft zu halten.

Hier härter vorzugehen, ist die Bundesrepublik sich selbst schuldig. Warum? Weil es um das geht, was unsere Gesellschaft zusammenhält, was ihr Fundament als Demokratie ausmacht: Werte, Tugenden, die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes, die unveräußerlichen Grundrechte.

Nein, es ist keine Art säkularer zehn Gebote, an die sich die Bürger halten müssen. Es sind Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, der aus unserer Sicht ein Rechts- und Sozialstaat sein soll. Ein Staat, der die Menschenwürde zu achten hat, auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann hinwirkt, der Religionsfreiheit gewährt, Kunstfreiheit sichert, Meinungs- und Pressefreiheit nicht zuletzt.

Um unser Selbstverständnis – darum geht es im Kern. Den zu sichern, ein Vorbild zu geben nach innen und nach außen, ist der Bundesregierung aufgetragen. Demokratie leben! Und weil gesellschaftlicher Zusammenhalt aus Verantwortung erwächst, wächst der Druck auf die große Koalition, dem, was sie leitet, Geltung zu verschaffen. Indem sie dazu steht.

Das klingt nur theoretisch, ist es aber ganz und gar nicht: Die Türkei muss wissen, dass nicht jede Provokation toleriert wird. Das Regime des Recep Tayyip Erdogan macht nur deshalb immer weiter, weil es bisher darauf setzen konnte, dass ihm niemand die Grenzen aufzeigt.

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