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Präsident Erdogan hat viele Anhänger in der Türkei. Seine Gegner versucht er, mit mehr oder weniger lauteren Methoden auszuschalten.

© dpa

Türkischer Geheimdienst: Ließ Erdogan Gegner in Deutschland ausspionieren?

In Koblenz sollen drei Männer vor Gericht gestellt werden, denen vorgeworfen wird, Gegner von Erdogan in Deutschland ausspioniert zu haben. Das Zentrum der Ausspähversuche soll eine Moschee in Köln gewesen sei

Das Oberlandesgericht Koblenz entscheidet in diesen Tagen über die Eröffnung eines Prozesses gegen drei Männer, die im Auftrag des türkischen Geheimdienst diverse Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Deutschland ausspioniert haben sollen. Der Hauptbeschuldigte soll ein früherer Berater von Erdogan sein. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft wirft den insgesamt drei Beschuldigten vor, unter anderem Kurden und Aleviten in Deutschland unter die Lupe genommen zu haben. Auch Erdogan-Gegner Fethullah Gülen stand demnach im Visier Ankaras. Laut Presseberichten versuchte die türkische Regierung, in dem Fall Druck auf die deutsche Justiz zu machen.

Das Koblenzer Gericht bestätigte dem Tagesspiegel gegenüber den Eingang der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen die drei Beschuldigten, von denen zwei die türkische und einer die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Die Koblenzer Richter müssten nun entscheiden, ob ein hinreichender Tatverdacht für die Eröffnung eines Hauptverfahrens bestehe, hieß es bei Gericht. Damit sei in Kürze zu rechnen.

Laut Presseberichten kam die mutmaßliche Spionage gegen Erdogan-Gegner in der Bundesrepublik mit Hilfe abgehörter Telefonate ans Tageslicht. Im Mittelpunkt steht Mohammed Taha G., der türkischen Medien zufolge in den vergangenen Jahren zu Erdogans Beratern zählte. Der 58-jährige G., der seit seiner Festnahme Mitte Dezember vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt, soll seine zwei ebenfalls angeklagten Helfer beauftragt haben, Kritiker der türkischen Regierung unter den in Deutschland lebenden Türken auszuspionieren.

Gülen sollte wohl als Kinderschänder verleumdet werden

G. erhielt seine Order demnach vom türkischen Geheimdienst MIT, dessen Chef Hakan Fidan ein enger Vertrauter von Erdogan ist. Ein Zentrum der Ausspähversuche soll die unter Aufsicht des staatlichen türkischen Religionsamtes stehende Zentral-Moschee in Köln-Ehrenfeld gewesen sein. Die türkische Regierung dementierte nach den Festnahmen allerdings, dass die mutmaßlichen Spione für den MIT arbeiteten.

Ganz besonders hätten sich die Agenten für Kurden, Linksradikale, Angehörige der muslimischen Minderheit der Aleviten sowie für Anhänger des islamischen Predigers und Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen interessiert, argumentiert die Bundesanwaltschaft den Medienberichten zufolge. Gülen, ein früherer Unterstützer Erdogan, hat sich zu einem entschiedenen Gegner des langjährigen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten gewandelt. Das Nachrichtenmagazin „Focus“ meldete, die Beschuldigten hätten unter anderem geplant, Gülen selbst mit Hilfe eines manipulierten Dokuments als Kinderschänder zu verleumden.

Laut „Focus“ versuchte die türkische Regierung, unter anderem mit einem Anruf bei der Haftrichterin am Karlsruher Bundesgerichtshof, auf die deutschen Behörden einzuwirken. In der Türkei meldete die Erdogan-kritische Zeitung „Sözcü“, die türkische Regierung habe den Beschuldigten nach deren Festnahme zwei Anwälte besorgt.

Erst im vergangenen Jahr waren die deutsch-türkischen Beziehungen durch das Bekanntwerden von Spitzelaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes in der Türkei belastet worden. Damals vereinbarten beide Seiten eine engere Zusammenarbeit ihrer Dienste.

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