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Türkischer Jet von Syrien abgeschossen: Ankara scheut die militärische Eskalation

Nach dem Abschuss ihres Militärjets durch Syrien kündigt die Türkei „notwendige Schritte“ an. Wie die aussehen sollen, ist allerdings noch unklar.

Nachdem die syrische Luftabwehr am Freitagabend über dem östlichen Mittelmeer eine türkische Militärmaschine abgeschossen hat, sieht die Türkei sich unangenehmen Fragen ausgesetzt – und ringt um die richtige Antwort. Staatspräsident Abdullah Gül sagte am Samstag, dass dieses Aufklärungsflugzeug tatsächlich, wie von der syrischen Regierung angegeben, den Luftraum des Nachbarn verletzt haben könnte. Ankara kündigte an, als Reaktion auf den Vorfall würden die „notwendigen Schritte“ unternommen. Die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung als Folge aus dem Abschuss wurde von Beobachtern aber als gering eingestuft. Nach den beiden Piloten wurde unterdessen immer noch in einem Sektor des Meeres rund zehn Kilometer vor der syrischen Küste gesucht.

Die unbewaffnete Maschine vom Typ Phantom F-4 war am Freitagmittag vom osttürkischen Malatya aus gestartet; etwa neunzig Minuten später brach die Verbindung zu dem Jet ab. Nach syrischen Angaben eröffnete die Luftabwehr in der Nähe der Küstenstadt Latakya das Feuer auf ein Militärflugzeug, dass sich mit hoher Geschwindigkeit und in niedriger Flughöhe dem syrischen Festland näherte. Die Maschine wurde demnach etwa einen Kilometer vor der Küste getroffen und stürzte anschließend etwa zehn Kilometer vom Land entfernt ins Meer.

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Türkische Medien zitierten Küstenbewohner der Grenzprovinz Hatay, wenige Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Sie hatten beobachtet, dass zunächst ein Militärjet aufs Meer hinausgeflogen sei und anschließend drei Explosionen zu hören gewesen seien. Die türkische Zeitung „Hürriyet“ zeigte auf ihrer Website ein Video, das nach Angaben der Zeitung von syrischen Strandbesuchern in der Nähe des Abschussortes aufgenommen wurde. In dem Clip sind Schüsse zu hören. Zudem zeigen die Menschen auf ein Objekt am Horizont.

Die türkische Regierung erklärte nach einer Krisensitzung der politischen und militärischen Führung in der Nacht zum Samstag, nach Aufklärung des Zwischenfalls werde die Türkei ihre endgültige Haltung formulieren. Einige Beobachter in der Türkei kommentierten, die Türkei werde sich wegen des Angriffs auf ihren Jet möglicherweise an die Nato wenden.

Doch das Ausbleiben klarer Schuldzuweisungen der Regierung an die Adresse Syriens sowie die Stellungnahme von Staatspräsident Gül über eine mögliche Luftraumverletzung durch den türkischen Jet legten nahe, dass Ankara nicht daran interessiert ist, die Affäre zum Anlass für eine militärische Auseinandersetzung mit dem Nachbarland zu nehmen. Gül sagte, angesichts der hohen Geschwindigkeiten der Militärjets sei eine kurzzeitige Grenzübertretung „Routine“ und dürfe nicht als Ausdruck feindseliger Absichten verstanden werden. Syrien erklärte, man habe erst nach dem Abschuss herausgefunden, dass es sich um ein türkisches Flugzeug handelte.

Denkbar ist eine eng begrenzte Machtdemonstration der Türken

Die Türkei, die sich wegen des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Regierung gegen die Protestbewegung von einem Partner zu einem entschiedenen Gegner von Präsident Baschar al Assad gewandelt hat, denkt zwar seit Monaten laut über die Einrichtung einer militärisch gesicherten Pufferzone in Syrien nach; doch bisher gibt es keine festen Beschlüsse.

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Auch der Abschuss des Jets dürfte für Ankara kein Grund sein, mit einer groß angelegten Aktion in Syrien einzugreifen, sagte Oytun Orhan von der Ankaraner Denkfabrik Orsam. Seda Altug, Syrien-Spezialistin an der Istanbuler Bosporus-Universität, sagte ebenfalls, sie erwarte nicht, dass die Türkei den Abschuss als Vorwand für einen Krieg mit Syrien nehmen werde.

Orhan sagte zu möglichen türkischen Reaktionen, denkbar sei eine eng begrenzte Machtdemonstration, weil Ankara den erlittenen Prestigeverlust nicht hinnehmen wolle. Die türkische Reaktion hängt laut Orhan allerdings davon ab, ob der Jet wirklich im syrischen Luftraum war, ob die Syrer eine Entschuldigung aussprechen und wie die westlichen Verbündeten der Türkei den Fall sehen. Die UN forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf.

Orhan und andere Beobachter fragen sich aber auch, was die Syrer dazu bewogen haben könnte, sofort zu schießen, ohne die türkischen Piloten per Funk zu warnen oder eigene Kampfjets aufsteigen zu lassen. Die Tatsache, dass der Jet ohne Zögern beschossen wurde, sei ohne Zweifel ein „feindlicher Akt“ gewesen und beinhalte – ob gewollt oder nicht – eine Warnung an Ankara, sagte Orhan.

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