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30.000 Menschen mit türkischen Wurzeln sind aus der gesamten Republik nach Köln gereist, um gegen Erdogan zu protestieren.

© dpa

Türkischer Präsident in Köln: "Kein Kölsch für Erdogan"

Der türkische Regierungschef Erdogan spaltet die Rheinmetropole. Der Rhein trennt die Gegner und die Befürworter. Viele deutsche Politiker hatten sich vor Erdogans Auftritt skeptisch geäußert.

Trotz Navigation war es passiert. Die Ausflugsgesellschaft wähnte sich am Ziel, die Türen des Busses öffneten sich und die Demonstranten strömten heraus. Mit einem Male stellten sie allerdings fest: wir sind am falschen Ort, die Fahnen mit dem Konterfei des türkischen Regierungschefs flatterten plötzlich neben Transparenten mit der Aufschrift "Kein Kölsch für Erdogan". Der Fahrer hatte das falsche Ziel eingegeben und die Anhänger Erdogans zur Kundgebung seiner Gegner auf dem Kölner Ebertplatz in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof gebracht. Dabei hatten die Ordnungskräfte der Domstadt im Vorfeld dafür gesorgt, dass die beiden Gruppen durch den Rhein getrennt werden: Die Erdogan-Fans in der geschlossenen Deutzer Arena und die zahlreichen Gegner des umstrittenen Politikers in der Innenstadt.

Als die Polizeikräfte den Irrtum des Busfahrers bemerkten, stieg die Anspannung spürbar, für einen Moment kamen die Erinnerungen der zurückliegenden Nacht wieder hervor. Der türkische Vize Regierungschef Bülent Arinc hatte sich in der Kölner Altstadt mit dem türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karsioglu zum Essen getroffen. Die Nachricht hatte sich in wenigen Minuten in der türkischen Gemeinde der Domstadt herumgesprochen und noch vor dem Dessert fanden sich spontan mehr als 300 Anhänger und Gegner der Regierung vor dem Lokal ein, mehr als einmal drohten die Feindseligkeiten zwischen den beiden Gruppen handgreiflich zu werden - was am Ende durch ein massives Polizeiaufgebot verhindert werden konnte.

Viele deutsche Politiker skeptisch über Erdogans Auftritt

Am Kölner Ebertplatz beruhigte sich die Lage, bevor etwas passierte: die Erdogan-Anhänger bemerkten ihren Fehler, und bestiegen unter dem Beifall der Gegner wieder ihren Bus, um auf die andere Rheinseite zu fahren. Schon rein äußerlich war der Kontrast nicht zu übersehen. Die Erdogan-Freunde hatten sich überwiegend für den Auftritt ihres Idols fein angezogen; die Männer meistens in dunklen Anzügen, kaum eine Frau - selbst die ganz jungen Töchter - ohne Kopftuch. Die am Ebertplatz versammelten Gegner boten statt dessen ein völlig anders Bild: fast alle kamen in lässiger Freizeitkleidung, die jungen Frauen altersgemäß modisch orientiert, nicht selten geschminkt. Die Aleviten und die Kurden haben zum Protest gegen den Erdogan Besuch in der Domstadt aufgerufen, wie der Veranstalter später bestätigen wird, sind an die 30.000 aus der gesamten Republik angereist, um dem autokratischen türkischen Regierungschef zu zeigen, was sie von seiner Politik und seinem Auftritt in Köln halten. "Erdogan muss zittern - denn wir twittern", stand auf vielen Plakaten, andere machen es kürzer: "Diktator Erdogan".

Trotz des Kommunal- und Europawahlkampfes haben viele deutsche Politiker hatten sich vor Erdogans Auftritt skeptisch geäußert. Selbst der üblicherweise eher leise Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters zeigte sich entsetzt. "Das ist eine Provokation", schleuderte der Sozialdemokrat dem Gast entgegen, der seinen Besuch als private Visite verstanden wissen will. Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) hatte ihn zu ihrem zehnjährigen Jubiläum nach Köln eingeladen; die UETD gilt als Vorfeldorganisation der AKP, der Partei Erdogans. Dass der Besuch in Deutschland auf Kritik stößt, kann man dort nicht verstehen, auch der türkische Regierungschef hält trotzig dagegen: "Ich spreche zu den drei Millionen Landsleuten in Deutschland".

Erdogan spaltet die in Deutschland lebenden Türken

In der Tat hat er viele Anhänger, die zum Teil schon Stunden vor seiner für den späten Nachmittag angekündigten Rede in der Arena auf ihn warten. "Er ist ihre Identifikationsfigur", erklärt dazu Bülent Arslan, der stellvertretenden Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU. Noch bevor Erdogan überhaupt ein Wort gesagt hat, schwenken sie begeistert Fahnen auf denen er neben dem Sultan zu sehen ist. "Genau damit spaltet Erdogan die hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln, er trägt seinen Konflikte auf unserem Boden aus", schimpft Jürgen Roters. Erdogan stört das nicht, ganz im Gegenteil, er wird später die deutsche Kritik nutzen, um die Distanz seiner Anhänger zu Deutschland noch weiter zu vergrößern.

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