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Tunesien: Übergangsregierung zerfällt nach nur einem Tag

Einen Tag nach dem Amtsantritt einer Übergangsregierung in Tunesien gibt es schon die ersten Rücktritte. Aus Protest gegen den Verbleib alter Kräfte an der Macht hat die Gewerkschaft UGTT ihre drei Minister aus dem Kabinett zurückgezogen.

Der Übergangsregierung in Tunesien droht bereits das Scheitern. Die drei Gewerkschaftsvertreter im Kabinett von Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi erklärten am Dienstag aus Protest gegen die Beteiligung von Ministern des alten Regimes ihren Rücktritt. Landesweit gingen tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Zusammensetzung der Regierung der nationalen Einheit zu protestieren.

"Wir ziehen uns aus der Regierung zurück und folgen damit dem Aufruf unserer Gewerkschaft", sagte das für Ausbildung und Beschäftigung zuständige Kabinettsmitglied Houssine Dimassi in Tunis. Die beiden anderen Minister sind Abdeljelil Bédoui, der dem Regierungschef beigeordnet war, sowie Anouar Ben Gueddour, Staatssekretär im Verkehrsministerium.

Ghannouchi hatte sein Übergangskabinett am Montag vorgestellt. Zwar gehören der Regierung auch Vertreter von Opposition und Zivilgesellschaft an, mehrere Minister des Regimes des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali besetzen jedoch weiterhin Schlüsselpositionen. So bleiben etwa die Posten im Außen- und im Innenministerium sowie die Ressorts für Verteidigung und Finanzen unverändert. Ghannouchi verteidigte diesen Schritt. "Sie sind alle sauber und haben außerdem große Kompetenz", sagte er im Radiosender Europe 1. Er kündigte aber juristische Schritte gegen diejenigen an, die in den vergangenen Wochen gewaltsam gegen Demonstranten vorgingen. Bei den Protesten starben nach Regierungsangaben 78 Menschen.

Erneut gingen am Dienstag tausende Menschen auf die Straße. Allein in der Wirtschaftsmetropole Sfax im Osten des Landes protestierten Beobachtungen von AFP-Reportern und Augenzeugen zufolge rund 5000 Menschen. Mehrere tausend Menschen protestierten außerdem in Sidi Bouzid im Landesinneren, wo vor einigen Wochen die Proteste begonnen hatten. Ein weiterer Protestzug marschierte durch das nahe Regueb, und in Kasserine im Westen des Landes gingen 500 Menschen auf die Straße.

Am Dienstagvormittag löste die Polizei in der Hauptstadt Tunis gewaltsam mit Tränengas und Schlagstöcken eine Demonstration von insgesamt rund tausend Menschen auf. "Wir können allein von Wasser und Brot leben, aber nicht mit der RCD", riefen die Demonstranten in Anspielung auf Ben Alis Partei. "Das ist keine Übergangsregierung, das ist die Rückkehr des alten Regimes in neuer Form", sagte ein Gewerkschaftsvertreter.

An die Spitze des Protestzugs hatte sich der Islamistenführer gesetzt. Sadok Chourou war früher Präsident der verbotenen islamistischen Ennahdha-Partei und war im Oktober nach 20 Jahren aus dem Gefängnis freigekommen. "Die Regierung repräsentiert das Volk nicht und muss gehen", sagte Chourou. Die Ennahdha-Partei kündigte an, sie werde keinen Kandidaten für die angekündigte Präsidentschaftswahl stellen.

Unterdessen wurde auch der nach Saudi-Arabien geflohene Ben Ali immer mehr in die Enge getrieben. Ein Schweizer Anwalt reichte bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige ein und forderte, Ben Alis möglicherweise im Land gelagertes Vermögen einzufrieren. Er reichte zudem einen Antrag zur Aussendung internationaler Haftbefehle gegen Ben Ali, dessen Frau Leila Trabelsi sowie den früheren Innenminister Rafik Bel Hadji Kacem ein. Die Sozialistische Internationale schloss zudem Ben Alis Partei aus. Auf deren Webseite hieß es, der Ausschluss stehe in Einklang mit den Werten und Prinzipien der Bewegung. (AFP/dpa)

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