zum Hauptinhalt
Flüchtlinge in Hanau (Hessen). Dort sind rund 700 Flüchtlinge untergebracht. Die meisten stammen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

© dpa

Tut Deutschland genug für den Irak?: "Ignoranz für die Situation im Irak ist völlig falsch"

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour mahnt zu mehr Engagement zur Befriedung des Irak - das Land dürfe in der anhaltenden Debatte um Krieg und Frieden in Syrien nicht vergessen und vernachlässigt werden.

Von Hans Monath

Angesichts der neuen Debatte über die Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien hat der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour mehr deutsche Anstrengungen zur Befriedung des Irak gefordert. "Im Irak könnte mit erheblich weniger Mitteln deutlich mehr erreicht werden", sagte der außenpolitische Sprecher seiner Fraktion am Donnerstag in Berlin. Nouripour hatte zuvor vier Tage lang in Bagdad und in Erbil, der Hauptstadt des autonomen Kurdengebiets, Gespräche geführt. Der Irak steht auf der Liste der Herkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland weit oben.

Zwar sei es verständlich, dass angesichts einer hohen Zahl von syrischen Flüchtlingen die Aufmerksamkeit nun dem Nachbarland des Irak gelte, sagte der Grünen-Politiker. Führende deutsche Diplomaten hätten aber bislang zu wenig Engagement bei der Stabilisierung des Landes gezeigt und diese Aufgabe für eine originär amerikanische erklärt. Die USA hatten das Land 2003 im Irakkrieg besetzt und die Regierung Saddam Husseins gestürzt.

In der Folge kollabierten die staatlichen Strukturen des Landes; Sunniten und Schiiten bekämpften sich mit brutaler Gewalt. Die Regierung al-Maliki (2006 bis 2014) hievte fast ausschließlich Schiiten in hohe politische und militärische Positionen und verschärfte den Gegensatz der Konfessionen damit weiter. Nach Meinung Nouripours ist die US-Strategie "Iraq first" ("Zuerst Irak") richtig und sollte auch von der deutschen Außenpolitik übernommen werden. "Ignoranz für die Situation im Irak ist völlig falsch", warnte er.

Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour.
Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour.

© dpa

Insgesamt zeichnete der Außenpolitiker ein düsteres Bild der Lage im Irak. Mit Ausnahme des Südens sei die Sicherheitslage im gesamten Land schlecht, die Hauptstadt Bagdad sei die Region mit der weltweit höchsten Zahl von Terroranschlägen. Zudem hätten die USA während der Besatzungszeit versäumt, einen Prozess der Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen in dem Land einzuleiten und so die Aussöhnung zwischen den Volksgruppen und Religionsgemeinschaften enorm erschwert.

Der Verfall des Ölpreises und die Eroberung von Ölquellen durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) würden sowohl die Regierung in Bagdad als auch die Autonomiebehörde der Kurden vor große Probleme stellen, sagte Nouripour. Die regionale Staatlichkeit der Kurden im Norden stehe deshalb "vor dem Bankrott" und könne auch den bewaffneten Einheiten der Peschmerga keinen Sold mehr zahlen, die gegen den IS kämpfen. Die Einheiten könnten "kollabieren", warnte der Abgeordnete: "Das ist hochdramatisch."

Attraktives Fluchtziel: "Stimmt es, dass wir nach Deutschland dürfen?"

Kritisch äußerte sich Nouripour zum Appell des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD), der nach dem Atomabkommen mit dem Iran eine zeitlich begrenzte Chance zur Einbindung Teherans und anderer Regionalmächte zur Befriedung Syriens sieht. Zwar müsse man alle Chancen ausloten, doch sei Steinmeiers Festhalten an der Möglichkeit einer Lösung mit dem Iran "eher eine Illusion", meinte der Abgeordnete. Die Gefahr bestehe, dass der Iran nach dem Ende der Sanktionen die neuen Einnahmen zum Aufbau der Revolutionsgarden und zur Destabilisierung anderer Länder einsetzen werde.

Zu der von der Bundesregierung nun befürworteten Einbindung des syrischen Diktators Baschar al-Assad in internationale Verhandlungen sagte der Grünen-Politiker: "In einer ausweglosen Situation muss man auch Dinge tun, die unerträglich sind." Allerdings müsse sehr genau darauf geachtet werden, dass nicht der Eindruck entstehe, Assad sei der Verbündete des Westens. Dies werde sonst auch die Einbindung der Sunniten im Irak erschweren.

Der Öffnungskurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise macht Deutschland auch für Iraker als Fluchtziel noch attraktiver. Viele hohe irakische Beamte hätten ihn nach Möglichkeiten zur Ausreise nach Deutschland gefragt, sagte Nouripour. Auch in einem Flüchtlingslager wurde er demnach mit der Frage konfrontiert: "Stimmt es, dass wir alle nach Deutschland dürfen, dass wir dort arbeiten können, wie kommen wir dort hin?"

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false