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Ellbogengruß in Zeiten des Coronavirus: Joe Biden und Bernie Sanders

© Reuters/Kevin Lamarque

TV-Duell Biden contra Sanders: Wer will Revolution in der Coronakrise?

Bei der Debatte der US-Demokraten im Zeichen des Coronavirus verweist Ex-Vizepräsident Biden auf seine Erfahrung. Und verspricht, alles so wie früher zu machen.

Joe Biden hat bei der elften TV-Debatte der US-Demokraten eigentlich nur eine Aufgabe zu bewältigen. Der Favorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei muss zeigen, dass das Land ihm in einer schweren Krise vertrauen kann. Dass er sofort einsatzbereit, sprich regierungsfähig wäre. Diese Aufgabe erfüllt der ehemalige US-Vizepräsident am Sonntagabend.

Es ist wahrlich ein seltsames Setting: Die Debatte, die durch das Ausscheiden aller anderen Bewerber zu einem Duell zwischen Biden und dem politisch deutlich weiter linksstehenden Senator Bernie Sanders geworden ist, findet wegen der sich immer weiter zuspitzenden Coronavirus-Krise erstmals ohne Zuhörer im Studio statt. Auch ist sie von Phoenix in Arizona, wo am Dienstag wie in drei anderen Bundesstaaten die nächsten Vorwahlen anstehen, in die Hauptstadt Washington verlegt worden.

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Und während die Duellanten sich anschicken, über ihre Antworten auf die Krise, Fehler in der Vergangenheit und ihre ersten Maßnahmen nach einer möglichen Wahl zum Präsidenten zu streiten, verschärft sich die Lage weiter. Am Nachmittag verkündet die US-Notenbank überraschend, angesichts der großen Panik an den Märkten und Rezessionsängsten den Leitzins auf fast null Prozent abzusenken - ein dramatischer Schritt. Auch stellt die Fed in Aussicht, "die gesamte Bandbreite an Instrumenten einzusetzen", wenn dies notwendig werde.

New York ordnet die Schließung von Restaurants und Bars an

Kurz darauf gibt die nationale Gesundheitsbehörde CDC die Maßgabe aus, dass "in den nächsten acht Wochen" Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen nicht mehr stattfinden sollen. Das ist noch keine landesweite Zwangsschließung beispielsweise von Bars und Restaurants, aber die "Empfehlung" gibt die Richtung vor. Vizepräsident Mike Pence hat zuvor beim täglichen Corona-Briefing im Weißen Haus angekündigt, dass es am Montag dazu Neues geben soll.

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Während der Debatte erklären die Behörden in New York City, dass alle Schulen schließen und Restaurants, Bars und Cafés ab Montag nur noch für Take-out und Essenslieferungen genutzt werden können. Das öffentliche Leben fährt auch in den USA zunehmend herunter. Die Liveticker kommen kaum hinterher, die Nachrichten zu berichten.

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Dass unter diesen Umständen überhaupt Wahlen abgehalten werden sollen, ist eine problematische Vorstellung. Aber noch läuft der Vorwahlkampf, und so lautet die erste Frage an die Kontrahenten auf der TV-Bühne, die sich via Ellenbogengruß begrüßen und mit zwei Meter Abstand von einander aufgestellt sind: Wie würden Sie auf die Corona-Krise reagieren, wenn Sie jetzt Präsident wären?

Biden zeigt Empathie mit den Betroffenen - anders als Trump

Biden nutzt die Chance, um das zu machen, was der amtierende Präsident Donald Trump bisher nicht schafft: Er drückt denen sein Mitgefühl aus, die unter der Krise bereits zu leiden hätten. "Dies ist größer als jeder einzelne von uns." Das ist die Stärke des 77-Jährigen, Empathie kann er. Anschließend erklärt er seine Pläne für einen solchen Notfall. Die lassen sich am besten damit zusammen fassen, dass er alles genauso machen würde, wie es die Regierung von Barack Obama und ihm als Vize getan hat. Immer wieder verweist er auf die damaligen Erfolge bei der Bekämpfung der Ebola-Krise.

Sanders dagegen geht gleich auf den eigentlichen Hauptgegner los: Als erstes müsse so oder so Trump zum "Schweigen" gebracht werden, sagt der 78-Jährige. Denn der Präsident untergrabe mit seinem "unwahren Geplapper" die Arbeit der Ärzte und Wissenschaftler, die den Amerikanern helfen wollten. Dann zählt er auf, was nun getan werden müsste: Alle müssten verstehen, dass jeder, der krank sei, zum Arzt dürfe – und dass dafür die Kosten übernommen würden. Die Krankenhäuser müssten so ausgestattet sein, dass sie mit dieser "nationalen Notlage" zurande kämen. Aber genauso wichtig sei es auch, dass an die gedacht würde, die in der Folge der Krise ihren Job verlören.

Dann stellt Sanders die Frage, warum Amerika an dem Punkt angekommen sei, an dem bezweifelt werde, dass das Land mit der Krise zurechtkomme. Die Coronavirus-Pandemie lege die "unglaubliche Schwäche und Dysfunktionalität" des amerikanischen Gesundheitssystems offen. "Wir sind weltweit das einzige große Land, das es nicht schafft, für die Gesundheitsversorgung aller seiner Bürger zu sorgen", wiederholt er einen Dauerbrenner seines Wahlkampfs.

Der Senator ist sich da treu. Seit Jahren, ja Jahrzehnten prangert er die Ungleichheit im Land an. Nun sagt er, Amerika müsse "neu" gedacht werden. Trump mache die ohnehin nur existierenden Probleme nur größer.

Revolution oder Sicherheit?

Damit mag er recht haben. Und in einer anderen Lage könnte das auch seinen Kontrahenten treffen, der vor Trump als Vizepräsident acht Jahre lang Verantwortung trug. Ob aber die Amerikaner, die sich gerade schnell an den Ausnahmezustand gewöhnen sollen, jetzt allzu viel Lust auf eine Revolution haben, darf bezweifelt werden.

Biden führt deutlich in den Umfragen für die Wahlen in Arizona, Florida, Illinois und Ohio am Dienstag. Mit der Zuspitzung der Krise ist es noch wahrscheinlicher geworden, dass sich die demokratischen Wähler für denjenigen Kandidaten aussprechen, der ihnen Sicherheit und Beruhigung verspricht, der von seinen Erfahrungen als Teil einer angesehenen Regierung profitieren kann.

"Dies ist wie ein Krieg. Das ist, als würden wir aus dem Ausland angegriffen", sagt Biden über das Coronavirus. Revolutionäre Ideen würden nicht weiterhelfen, sagt er mit Blick auf Sanders' Agenda. Die Menschen wollten sofort Resultate, nicht erst in mehreren Jahren.

Und weil Biden weiß, wie groß sein Vorsprung derzeit ist, platziert er bewusst auch eine wichtige Nachricht in der Debatte. Er werde auf jeden Fall eine Frau zur Vizepräsidentin machen, wenn er gewählt werde.

Damit landet er einen Treffer. Denn sofort beginnen die Diskussionen darüber, wer dafür infrage komme: Elizabeth Warren, Kamala Harris oder Stacey Abrams? Die ersten beiden sind ehemalige Mitbewerber Bidens und Senatorinnen in Washington, aber auch die ehemalige Kongressabgeordnete Abrams gilt als interessante Alternative. Und schon ist Biden seinem Ziel noch ein bisschen näher gekommen: dass alle nur noch darüber sprechen, wie er die Partei einen und Trump schlagen könnte. Sanders kann dem wenig entgegensetzen.

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