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Ein hartes zweites TV-Duell: Hillary Clinton und Donald Trump

© Reuters/Jim Young

TV-Duell Clinton versus Trump: Ein unbarmherziger Schlagabtausch

Hillary Clinton und Donald Trump schenkten sich nichts. Ihre zweite Debatte war voll Aggression und Provokation. Auch eine letzte versöhnliche Frage änderte daran nichts.

Wie schmutzig es werden kann, wenn Donald Trump mit dem Rücken zur Wand steht, zeigt sich kurz vor Beginn der zweiten Präsidentschafts-Debatte mit Hillary Clinton in St. Louis.

Trump hat kurz bevor es am Sonntagabend losgeht zu einer Pressekonferenz geladen. Eingerahmt von vier Frauen sitzt er auf dem Podium, im Rücken die amerikanische Flagge. Paula Jones, Kaugummi-kauend und im glitzernden Trainingsanzug sowie Kathleen Whilley haben Bill Clinton einst vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. Juanita Broddericks hat Clinton 1999 sogar beschuldigt, sie im Jahr 1978 vergewaltigt zu haben - ein Vorwurf, der nie von einem Gericht aufgegriffen wurde. Kathy Shelton erklärt, Hillary Clinton habe einen Mann verteidigt, der sie vergewaltigt habe. So versucht Donald Trump, von seinem Video abzulenken, in dem er mit sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen prahlt.

Kein Händedruck zum Auftakt

Denkbar frostig beginnt dann das eigentliche „Town-Hall-Meeting“ in der Washington University. Man reicht sich noch nicht einmal die Hand. „Oh, hello“, sagt Hillary Clinton zu Trump. 

Es wird ein weiterer erstaunlicher Abend für die beiden in einem ohnehin schon außergewöhnlichen Wahlkampf. Trump steht immens unter Druck, den man ihm vor allem zu Beginn anmerkt. Clinton hingegen läuft einige Male in die Falle ihres populistischen Gegners, viel zu erklären, viel zu rechtfertigen, und dadurch defensiv zu wirken. 

Anders als bei ihrer ersten Debatte sind die beiden Kandidaten nicht allein mit einem Moderator. Sie sollen Fragen von noch unentschlossenen Wählern beantworten, die das Gallup-Institut extra ausgewählt hat. Die beiden Moderatoren, Anderson Cooper von CNN und Martha Raddatz, außenpolitische Chefkorrespondentin des Senders ABC, dürfen scharf nachfragen. Und von dieser Möglichkeit machen die beiden ausführlich Gebrauch. 

Und so kommt es auch, dass gleich zu Beginn das Videotape von Donald Trump von Anderson Cooper ins Spiel gebracht wird. Eine Mutter hatte an Hillary Clinton die Frage gestellt, ob sich ihrer Ansicht nach die Kandidaten in der ersten Debatte vorbildlich verhalten hätten. Clinton ist bei ihrer Antwort vor allem eine positive Botschaft wichtig: „Amerika ist großartig, weil wir gut sind, weil wir unsere Unterschiede zulassen.“

Doch CNN-Mann Cooper hakt bei Trump nach: Sie haben damit angegeben, bei Frauen sexuell übergriffig geworden zu sein - stehen Sie dazu? In der Tat prahlt Trump in der am Freitag von der „Washington Post“ öffentlich gemachten elf Jahre alten Sequenz, er könne sich bei Frauen alles erlauben, weil er „ein Star ist“. Er sagt selbst, er fange sofort an, schöne Frauen zu küssen, ohne auf deren Erlaubnis zu warten, er könne sie sogar zwischen den Beinen begrapschen. 

Trump, der schon zuvor äußerst fahrig gewirkt hatte, kommt nun völlig aus dem Konzept. Er schnieft immer wieder, sagt, das sei alles nur „Lockerroom Talk“ gewesen, also Dinge, die man als Mann eben so in der Umkleidekabine bespricht, und fängt dann zusammenhanglos an über die Bedrohung durch den IS zu schwadronieren.

Fahriger Trump, ungläubige Journalisten

Als Anderson ein weiteres Mal nachhakt, sagt Trump unter heftigem Schniefen etwas von „Respekt vor Frauen“, „ich werde Amerika wieder sicher machen“, und „andere Staaten nehmen uns unsere Jobs weg". Im Pressezentrum mit hunderten von Journalisten wird immer wieder ungläubig gelacht. Zu diesem Zeitpunkt sieht es so aus, als ob Trump die rund 90 Minuten TV-Debatte möglicherweise nicht wird überstehen können. 

Das wäre dann genau das, was die 33-jährige Sarah befürchtet hat. „Ich glaube, er macht sich heute Abend zum Idioten“, hat die Trump-Anhängerin am Nachmittag prophezeit. Das Video und die frauenverachtenden Sprüche ihres Kandidaten stören sie nicht. „So reden die Jungs halt", sagt sie. Die stämmige Frau erwartet nichts Gutes mehr von Trump seit der ersten Runde mit Hillary Clinton. Dann zieht sie weiter, um trotzdem zu feiern. In Florissant, einem Vorort von St. Louis, findet am Sonntagnachmittag vor dem Duell ein Straßenfest statt. Unter strahlend-blauem Himmel, weißen Federwolken und einer friedlich wärmenden Oktobersonne. Nebeneinander am Straßenrand haben die Republikaner und die Demokraten jeweils einen Wahlkampfstand aufgebaut. Man spricht nicht miteinander. 

Lou Hannibal ist 77 Jahre alt, im blaukarierten Hemd hat er sich hinter den Wahlplakaten für den Vorgarten aufgebaut, die für Donald Trump und Mike Pence werben, den Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten. Der Vorsitzende des St. Louis County Club der Republikaner zieht eine alte Reichsbanknote über 1000 Mark aus der Brusttasche, über die in altdeutscher Schrift „eine Milliarde Mark“ gedruckt ist. „So erkläre ich das den Leuten, die wissen hier nicht, wie schlimm das mit der Inflation in Deutschland war“, sagt der ehemalige Soldat.

Von 1957 bis 1960 war er in der Nähe von Idar-Oberstein stationiert. Angst vor zu hohen Staatsschulden, Angst vor zu wenig Rente (Hillary wird die Unternehmen in die Pleite besteuern), Angst vor syrischen Flüchtlingen treiben ihn an. Sexismus, Rassismus, Lügen seines Kandidaten? Nein, nein, meint er. Das sei alles ein großes Missverständnis. Es gebe einfach nur „eine Menge unzufriedener Patrioten, die für sich die Regierung zurückhaben wollen“. Eine Horde solcher Patrioten drängt später an der Washington University in den Bereich, in dem eigentlich NGOs und andere Bewegungen ihre Botschaft verbreiten dürfen. „Hillary in den Knast, Hillary in den Knast“ krakeelen die älteren, weißen Damen und Herren pausenlos, einer hält kurz inne um zu sagen: „Ihr habt da ein Problem in Deutschland. Diese Muslime werden Euch alle den Kopf abschneiden.“

Trump braucht Zeit

Angst und Aggressivität, aus diesem Cocktail ist die Trump-Kampagne gemixt, und tatsächlich findet der Kandidat der Republikaner am Sonntagabend nach verheerenden ersten 20 Minuten langsam aber sicher auch wieder in diesen Wahlkampfmodus zurück. Möglicherweise motiviert durch Applaus aus dem Publikum in der Halle nebenan, als er Hillary besonders massiv attackiert und ihr vorwirft, andere Frauen schlecht behandelt zu haben. Besonders bizarr wird es, als er ankündigt, im Falle seiner Präsidentschaft Clinton ins Gefängnis bringen zu wollen - aufgrund „der Lügen, die Clinton erzählt“. 

Lügen, Desaster, das sind die beiden Worte, die Trump am meisten verwendet, wenn er über Hillary Clinton spricht. Weniger deutlich ist Trump dagegen, wenn er eigene Pläne darlegt. So greift er dankbar eine Frage zu Obamacare auf („komplettes Desaster“) kann aber auch nicht wirklich erklären, wie er eine flächendeckende Versicherung für alle Amerikaner kostengünstig und ohne weitere Schulden sicherstellen will - das Argument „durch Wettbewerb“ klingt etwas dürftig.

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Beim Thema Steuern wiederum gelingt ihm das Kunststück, Clinton dafür zu kritisieren, nicht die Steuerschlupflöcher geschlossen zu haben, die er jahrelang selbst genutzt hat. Immer wieder bringt er dabei die Demokratin in Verbindung mit „reichen Freunden“, denen sie „Gefallen tut“. Namen will er dann aber nicht nennen  - „weil wir diese Leute ja nicht berühmt machen wollen“. Auch wenn die Attacken relativ faktenarm sind, hat Trump sich jetzt gefangen. Er tigert weniger nervös im Hintergrund über die Bühne, wenn Clinton spricht, er wippt weniger unkontrolliert und auch das Schniefen hat nachgelassen. 

Ein weiterer erstaunlicher Moment kommt, als Martha Raddatz sich auf außenpolitische Fragen konzentriert. Clinton sagt erwartungsgemäß, dass sie in Syrien härter auch gegen Russland vorgehen würde, spricht sich aber gegen „amerikanische Besatzungstruppen“ aus. Trump erklärt erst einmal, dass er Assad weniger schlimm findet als den IS und lobt dann in einem Zug den syrischen Präsidenten, Russland und Iran, mit denen man jetzt dank Hillary Clinton nicht mehr zusammenarbeiten könne. Staunen. 

Vor fünf Tagen bei der Debatte der beiden Vizepräsidentschaftskandidaten hatte Mike Pence, Trumps „Running Mate“, auch Luftschläge gegen Assad und eine deutlich härtere Hand gegenüber Moskau gefordert. „Ich stimme nicht mit Mike Pence überein“, sagt Trump. Bumm. Das sitzt.

Trump ist jetzt im Krieg, und zwar nicht nur gegen Hillary Clinton, sondern auch gegen das Führungspersonal der Republikaner - das „Establishment“, wie er es selbst nennt. Denn dieses hat ihm scharenweise den Rücken zugekehrt. Senatoren wie John McCain oder Kelly Ayote, die in New Hampshire um ihre Wiederwahl kämpft, wollen lieber Mike Pence auf ihren Wahlzettel schreiben, als für Trump stimmen. Condoleeza Rice, einst Außenministerin unter George W. Bush, schrieb auf Facebook: „Genug. Donald Trump sollte nicht Präsident sein“. Allerdings fragt sich, ob der Zeitpunkt nicht etwas spät gewählt ist. Mitt Romney beispielsweise hatte sich schon im März klar distanziert. Und Trump hat zudem Recht: Die deutliche Mehrheit unter den republikanischen Wählern will, dass er weiter macht. 

Clinton wirbt mit ihrer Erfahrung

Denn „Was habt ihr zu verlieren? Schlimmer kann es nicht werden“ - so wirbt Trump tatsächlich für sich. Was im starken Kontrast zu Clinton steht. Ihre Strategie im Verlauf der Debatte ist es, immer wieder auf ihre jahrzehntelange Erfahrung als Politikerin und „Public Servant“ hinzuweisen, die sich für Kinder, für Minderheiten, für Behinderte, für Frauen und Homosexuelle in den verschiedensten Stationen ihres Lebens eingesetzt hat - und dabei regelmäßig über Parteigrenzen hinweg mit Republikanern zusammengearbeitet hat. 

Besonders deutlich wird ihr Wille als einend dazustehen, bei der Frage einer junge Muslima, was die Kandidaten gegen Islamophobie tun wollen. Trump erklärt, dass es tatsächlich „ein Problem“ mit den Muslimen gibt, und fängt an - was nicht stimmt - von hunderttausenden syrischen Flüchtlingen zu erzählen, die die Obama-Regierung ins Land bringen will. Clinton hat da einen ihrer starken Momente, als sie erst klar macht, dass Muslime seit Jahrzehnten zur amerikanischen Gesellschaft gehören. Und dann erklärt: „Wir werden Leute nicht aufgrund ihrer Religion vorverurteilen und ausschließen. Wir sind ein Land, in dem die Religionsfreiheit gilt. Wo soll das sonst unsere Gesellschaft hinführen?“

Eine Frage, die sich nach diesem Abend erneut stellt. Auch wenn die letzte Aufgabe an die Kandidaten eine versöhnliche ist: Was die beiden am jeweils anderen schätzen. Trump sagt: Clintons Durchhaltevermögen. Clinton sagt: Seine Kinder. In einer ersten CNN-Umfrage sagen 57 Prozent der Zuschauer, Hillary Clinton war die bessere Kandidatin, 34 Prozent sehen Trump vorne. 

Ruth Ciesinger ist auf Einladung der US-Botschaft in Berlin auf Reportage-Reise in den USA. 

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