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Das Verhältnis zwischen Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan ist schon länger gestört.

© Tobias Schwarz, AFP

TV-Duell Merkel gegen Schulz: Türkei wirft Deutschland "Populismus" vor

Merkel und Schulz sind für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Die zeigt sich davon wenig beeindruckt.

Die türkische Regierung zeigt sich unbeeindruckt von der Ankündigung Deutschlands, sich für ein Ende der EU-Beitrittsgespräche einsetzen zu wollen. Europaminister Ömer Celik erklärte am Montag, das Problem liege nicht bei der Türkei, sondern bei Deutschland und der EU. „Sie bauen eine Berliner Mauer mit den Steinen des Populismus“, sagte Celik. Er betonte, sein Land werde seinen Weg als „europäische Demokratie“ weitergehen.

Eine unmittelbare Gefahr eines Abbruchs der türkischen EU-Verhandlungen sieht Ankara offenbar nicht. Vielmehr stuft die Türkei die Drohung mit einem Stopp des Beitrittsprozesses als Wahlkampfparole ein. Gleichzeitig entließen die türkischen Behörden in Antalya eine festgenommene Bundesbürgerin aus der Polizeihaft.

Stopp wird Thema auf dem nächsten EU-Gipfel

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz hatten bei ihrem einzigen TV-Duell vor der Bundestagswahl übereinstimmend für einen Abbruch der Türkei-Gespräche mit der EU plädiert. Die Reaktionen darauf fielen zwar scharf aus, gingen jedoch nicht über das seit Monaten übliche Maß der Rhetorik hinaus. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, er hoffe auf eine Umkehr in der deutschen Politik. Auch der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, betonte mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September, er hoffe auf ein baldiges Ende der „problematischen Atmosphäre“ im bilateralen Verhältnis.

Merkel will im Oktober in der EU über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sprechen, der von allen EU-Staaten einstimmig beschlossen werden muss. Derzeit ist offen, ob die Einstimmigkeit erreichbar wäre. Einige EU-Mitglieder, wie etwa Griechenland, wollen die Türkei mit Hilfe des Beitrittsprozesses möglichst eng an Europa anbinden. Dennoch könnte Merkels Äußerung bedeuten, dass ein Rubikon im türkisch-europäischen Verhältnis überschritten sei, kommentierte der amerikanische Türkei-Experte Howard Eissenstat auf Twitter. „Es gibt kein zurück.“

Ankara sieht sich als Opfer

In der Türkei kritisierte die regierungsnahe Presse die Warnung Merkels vor einem Stopp der Beitrittsverhandlungen als „Frechheit“. Deutsche Politiker wollten sich gegenseitig in Sachen Türkei-Feindlichkeit überbieten, hieß es in den Zeitungen. Die Türkei sieht sich als Opfer eines rechtspopulistischen Trends in ganz Europa und weist die Kritik am Abbau rechtsstaatlicher Errungenschaften im Zuge der Verfolgung mutmaßlicher Staatsfeinde seit dem Putschversuch vom Juli 2016 zurück. Europaminister Celik betonte, wenn es den Europäern mit den Sorgen um den türkischen Rechtsstaat ernst sei, dann hätte Brüssel längst, wie von der Türkei gefordert, die Gespräche über diesen Teil der Beitrittsverhandlungen eröffnen können. Doch das sei nicht geschehen.

Erdogan hatte in den vergangenen Monaten mehrmals betont, die Europäer sollten klipp und klar sagen, wenn sie die Gespräche mit der Türkei stoppen wollten. Kritiker des Präsidenten vermuten, dass Erdogan die EU dazu bringen will, den Beitrittsprozess zu beenden, weil dann die Einflussmöglichkeiten Europas auf die Türkei sinken würden. Nun habe Erdogan von Merkel bekommen, was er haben wollte, schrieb der viel beachtete Türkei-Blogger Michael Sercan Daventry.

Warten auf Signale

Westliche Politiker hatten in den vergangenen Wochen erklärt, sie warteten auf Signale der Gesprächsbereitschaft aus der Türkei. Diese könnten zum Beispiel darin bestehen, dass inhaftierte westliche Staatsbürger unter Auflagen aus den Gefängnissen entlassen würden. Offen blieb am Montag, ob die Freilassung der Bundesbürgerin in Antalya eine solche politische Bedeutung hat. Die Frau war am Donnerstag mit ihrem ebenfalls türkischstämmigen Mann festgenommen worden. Während die Frau nach Deutschland zurückgeschickt werden soll, wird der Mann wegen des Verdachts auf Unterstützung des Predigers Fethullah Gülen weiter festgehalten. Susanne Güsten

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