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Tyrannenmord: Aus der Mode

Der Tyrannenmord ist aus der Mode gekommen - zu Recht. Viele Diktaturen sind darauf angelegt, dass die Tötung der Führungsperson nichts am verbrecherischen System ändert.

Moralisch hätten die meisten Menschen wohl wenig einzuwenden: Wenn ein Diktator auf sein Volk schießen lässt, hat er sein Leben verwirkt. Wer ihn tötet, rettet unzählige andere Leben. Die Verschwörer des 20. Juli 1944 wollten mit dem Attentat auf Hitler den Krieg beenden. Nun beflügelt die Idee des „Tyrannenmords“ an Libyens Staatschef Gaddafi manche Feuilletons. Als reales politisches Vorhaben wird er in keiner westlichen Hauptstadt offen diskutiert.

Wie man heute weiß, haben die USA solche Pläne in den frühen Jahrzehnten des Kalten Kriegs verfolgt, zum Beispiel gegen Kubas Fidel Castro mithilfe vergifteter Zigarren. In jüngerer Zeit sind sie aus der Mode gekommen, aus politischen und aus praktischen Gründen. Der bevorzugte Weg heutzutage ist, Tyrannen festzunehmen und vor Gericht zu stellen. So erging es, zum Beispiel, 1989 Panamas Diktator Manuel Noriega, 2001 Serbiens Slobodan Milosevic und 2003 Iraks Saddam Hussein. Zu Beginn des Irakkriegs hätten die USA Saddam gerne per Luftangriff getötet – um den Krieg zu verhindern, nicht um des Tyrannenmords willen. Selbst einen Topterroristen wie Osama bin Laden möchten die USA lieber festnehmen und aburteilen als durch Spezialeinheiten töten. Denn öffentliche Prozesse verschaffen Legitimation und beugen Verschwörungstheorien vor.

Zweitens sind viele Diktaturen so angelegt, dass die Tötung der Führungsperson nichts am verbrecherischen System ändert, sondern nur eine andere Figur an die Spitze bringt. Gerecht wirken Tyrannensturz und Tyrannenmord vor allem, wenn sie aus dem Land kommen. Die Ceausescus in Rumänien wurden 1989 von Rumänen zum Tod verurteilt, nicht von außen.

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