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Kardinal Karl Lehmann war mehr als 20 Jahre lang Chef der Deutschen Bischofskonferenz. Foto: dpa

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Politik: Über Gott und die Welt debattieren

Kardinal Karl Lehmann streitet für eine diskussionsfreudigere Kirche – an diesem Montag wird der intellektuelle Prediger 75

Berlin - In seinem Abituraufsatz hat er sich mit der „doppelten Beanspruchung der Frau in Familie und Beruf“ beschäftigt. Kardinal Karl Lehmann hört zu und schaut hin, und er lässt zu, dass ihn berührt, was er hört und sieht. Das war 1956 so, als er die Schule verließ, und das ist heute so. Am heutigen Montag feiert er seinen 75. Geburtstag. Zweifel oder andere Meinungen bürstet Lehmann nicht ab, sondern setzt sich mit ihnen auseinander, auf höchstem intellektuellen Niveau. Seine Doktorarbeit hat er über Heideggers Existenzphilosophie geschrieben.

Seit fast 28 Jahren ist Karl Lehmann Mainzer Bischof, von 1987 bis 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Für viele verkörpert er bis heute das katholische Deutschland – und zwar jenes, dem sie auch nach den Skandalen noch vertrauen. Dass das so ist, liegt aber nicht nur an der Dauer seiner Amtszeiten. Es liegt an der Offenheit, mit der er in Gottes oft bunten Garten schaut, an seiner intellektuellen Redlichkeit und an der Herzlichkeit, die Menschen spüren – auch wenn sie seine Predigten nicht immer verstehen.

Lehmanns Vater war Volksschullehrer in Sigmaringen, er selbst ging 1957 zum Theologiestudium nach Rom, mit 32 Jahren war er Professor. Prägend waren für ihn die Jahre 1962 bis 65, als in Rom das Zweite Vatikanische Konzil die Türen der katholischen Kirche zur modernen Welt öffnete. Die Begeisterung, die von diesem Konzil ausging, wollte er als Priester in die Welt hinaustragen, so wie der junge Hans Küng und damals auch Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI..

Spätestens, als ihn die deutschen Bischöfe gegen den Willen Roms zu ihrem Vorsitzenden wählten, merkte Lehmann, dass Papst Johannes Paul II. dem Aufbruch seiner Kirche klare Grenzen setzte. In den Jahren danach machte sich Lehmann selten Freunde in Rom; besonders bitter empfand er selbst den Streit um die Beratung von Schwangeren, die abtreiben wollen. Und doch glaubt er nach wie vor an die Kraft des Dialogs. In der aktuellen Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung erinnert der Kardinal daran, dass Papst Paul VI. „wunderbar über den Dialog in der Kirche geschrieben“ habe – und fügt hinzu: „Wenn man sich auch wünscht, dass das von Rom aus etwas ernster genommen würde.“

Die katholische Kirche in Deutschland, die seit einem Dreivierteljahr mit dem Zentralkomitee der Katholiken darüber diskutiert, ob und wie man miteinander in einen „Dialogprozess“ treten könne und gleich festgelegt, über welche Themen dabei nicht gesprochen werden dürfe, ist nicht mehr so sehr seine Kirche. Unter Bischofskollegen, die sich lieber in die fromme Nische zurückziehen wollen, statt sich den Debatten mit der Welt zu stellen, fremdelt er zunehmend. „Wir dürfen uns nicht in die Nische der Bedeutungslosigkeit zurückziehen, uns nur auf die ohnehin Überzeugten beschränken“, sagte er vor kurzem der „Süddeutschen Zeitung“. Aufgeben würde der Mann mit dem herzhaften Lachen aber niemals. Statt zu jammern, müsse man „das Glas auch mal halb voll sehen“, sagte er der Bistumszeitung. Zu ihrem 75. Geburtstag legen die Bischöfe dem Papst üblicherweise ein Rücktrittsangebot vor. Benedikt XVI. hat Lehmanns Angebot ausgeschlagen. Lehmann hatte es damit auch nicht ernst gemeint.

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