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Verzeihung, Sie halten gerade auf dem Radstreifen ...

© Kai-Uwe Heinrich

Überlastung der Berliner Justiz: Strafen nur für Falschparker und Sexisten

Falschparker sollen in Berlin härter verfolgt werden. Diebe haben es hier besser, meint unser Autor. Eine Glosse mit ein paar Vorschlägen.

Eine Glosse von Harald Martenstein

In dieser Woche berichtete der Tagesspiegel darüber, dass in Berlin die Diebe so gut wie nie mehr bestraft werden. Berlins Justiz ist überlastet, deshalb werden fast alle Verfahren eingestellt, sogar dann, wenn Täter bei der Festnahme ein bisschen arg ruppig mit den Polizisten umgegangen sind.

Besonders eindrucksvoll ist der Fall eines Wiederholungstäters, der in nur einem Jahr 483 Artikel gestohlen hat, plus Dunkelziffer. Mit diesem Fleiß hätte er es auch in einem legalen Beruf weit gebracht. Das Verfahren wurde jedes Mal eingestellt. Er ist, wie es in dem Artikel hieß, „immer noch auf Tour“, eine Abschiedstournee ist es vermutlich nicht.

Bei der Lektüre dachte ich: „Alle Menschen in Europa, die noch keine Weihnachtsgeschenke haben, könnten jetzt auf dumme Gedanken kommen. Sie könnten vor den Feiertagen noch schnell nach Berlin fahren.“

Es betrifft aber nicht nur Diebe. Von allen Strafverfahren kommen überhaupt nur noch 17 Prozent vor ein Gericht, bei Mord oder Vergewaltigung scheint es noch eine Art rudimentärer Rechtsprechung zu geben. Im Lichte dieser Informationen begreift man, dass es relativ egal ist, in welcher Verfassung die Polizei sich befindet. Wenn man als Polizist merkt, dass fast alle Täter ohne Strafe wieder freikommen und weitermachen, muss man sich fühlen wie der Held eines existentialistischen Romans, das Leben ist sinnlos.

Die Einzigen, die wegen ihrer Verfehlungen immer noch ernste Sanktionen fürchten müssen, scheinen Falschparker und Sexisten zu sein. Als Ladendieb sollte man darauf achten, korrekt zu parken und die Verkäuferin nicht für ihr Aussehen zu loben. Bei Wohnungseinbrüchen aber komme die Polizei, wie der Berliner Generalstaatsanwalt sagt, praktisch nur noch vorbei, um ihr Beileid auszusprechen. Ich finde, dass man die Polizei von dieser Aufgabe entlasten und das Bestattungsunternehmen Grieneisen damit beauftragen sollte. Das Beileid aussprechen? Lasst es am besten die Profis machen.

Wie wäre es mit Rückkehrprämien?

Interessanterweise hängen die Probleme nicht unbedingt mit Geldmangel zusammen, der Berliner Haushalt dürfte in diesem Jahr mit einem Überschuss von 1,5 Milliarden abschließen. Leider gelingt es der Verwaltung nicht, das Geld auszugeben, sie ist zu langsam. Da fallen mir sofort die Rückkehrprämien ein. Asylbewerber, deren Anträge sich in mehreren Instanzen als unbegründet erwiesen haben und die laut Gesetz ausreisen müssten, dies aber nicht tun, bekommen 1000 Euro, wenn sie es freiwillig tun. Kann man diese neuartige Form der Rechtsstaatlichkeit nicht auch auf Falschparker anwenden? Wer falsch parkt, bekommt 1000 Euro, dafür, dass er sein Auto ein Jahr lang freiwillig einem legalen Parkplatz zuführt.

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