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Mächtig aufgeblasen. Die Linke empört sich seit Jahren über die Überwachung durch den Verfassungsschutz

© dpa

Überwachung von Abgeordneten: Verfassungsschutz will nur noch extreme Linke beobachten

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Kurs zur Überwachung der Linken geändert: Künftig sollen nur noch die extremistischen Teile der Partei kontrolliert werden. Doch die Linke fordert ein generelles Ende der Beobachtung.

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Am absurdesten war der Fall Petra Pau. Vier Aktenordner hat der Verfassungsschutz über die linke Bundestagsvizepräsidentin angelegt: Per Klage erstritt sie Einsicht, bekam dann aber nur Ordner voller geschwärzter Passagen. Nicht nur die Linke selbst fand es unerhört, dass Pau im Visier des Geheimdienstes ist. Sondern etwa auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. „Frau Pau ist für alle ersichtlich eine anständige Demokratin“, sagte er vergangene Woche nach einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages. Dort ging es um die Frage: Sollten Abgeordnete überhaupt vom Verfassungsschutz beobachtet werden, muss das Parlament mindestens um Erlaubnis gefragt werden?

Eindeutig klärten die befragten Juristen die Frage nicht. Dafür aber vollzog der Geheimdienst einen Kurswechsel.

Sicherheitskreise bestätigten am Dienstag dem Tagesspiegel, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachte seit Ende 2012 nur noch extremistische Gruppierungen innerhalb der Linken. Entsprechend hatte dies Mitte November Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) per Erlass angeordnet. Wenige Tage später wurde das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages informiert. Dem Vernehmen nach war der neue BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen schon länger dafür, sich auf die extremistischen Gruppierungen der Linken zu konzentrieren.

Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass 27 der damals 76 Linken-Abgeordneten des Bundestages im Visier des Verfassungsschutzes sind. Die Liste las sich wie ein „Who is who“ des Reformerflügels. Darauf standen neben Pau etwa Fraktionschef Gregor Gysi, Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann, die heutige Parteichefin Katja Kipping sowie Fraktionsvize Dietmar Bartsch. Der forderte am Dienstag ein generelles Ende der Beobachtung seiner Partei. „Es macht keinen Sinn, die Linke zu überwachen, erst recht nicht frei gewählte Abgeordnete“, sagte Bartsch dem Tagesspiegel. Er sprach von einer „Instrumentalisierung“ des Geheimdienstes für politische Interessen. Der Vizechef der Unionsfraktion Arnold Vaatz nannte den Kurswechsel des Innenministeriums „prinzipiell akzeptabel“: „Ich werde dem Verfassungsschutz, der den Sachverstand hat, dazu keine Vorschriften machen.“ Dass weiterhin auch Abgeordnete überwacht werden sollen, hält der CDU-Politiker aber für unproblematisch. „Ein Abgeordnetenmandat ist keine Garantie dafür, zur Verfassung im Treueverhältnis zu stehen.“ Das bisherige Geheimdienst-Argument für die Beobachtung der Spitzenkader war: Man müsse wissen, wie sie sich zu den extremistischen Genossen verhalten.

Bei den weiterhin beobachteten Gruppierungen handelt es sich um die Kommunistische Plattform mit 1250 Mitgliedern, die Sozialistische Linke (800 Personen), das Marxistische Forum (300 Personen), die AG Cuba Si (400 Personen) und die Antikapitalistische Linke, deren Gründungsaufruf 1700 Personen unterschrieben hatten. Sicherheitsexperten betonten, das BfV trage nur „offenes Material“ zusammen, also etwa Zeitungsartikel. Namentlich im neuen Verfassungsschutzbericht aufgetaucht sind nur drei Linken-Bundestagsabgeordnete: Gesine Lötzsch wegen der von ihr angezettelten Debatte über „Wege zum Kommunismus“, außerdem Christine Buchholz und Nicole Gohlke wegen Zugehörigkeit zur trotzkistischen Sekte Marx 21. Gohlke war erst am Montag zu einer von acht Spitzenkandidaten der Linken für die Bundestagswahl ernannt worden.

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