zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Olaf Scholz nimmt an einer Sommer-Pressekonferenz in Berlin, Deutschland, 11. August 2022, teil.

© REUTERS/Lisi Niesner

Update

Sommer-Pressekonferenz des Bundeskanzlers: Scholz will Gas-Pipeline von Portugal nach Mitteleuropa

Sommerliche Auftritte in der Bundespressekonferenz haben Tradition für Kanzler. Olaf Scholz setzte dies nun fort. Themen gab es viele.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bürgerinnen und Bürgern erneut Unterstützung angesichts der Belastungen durch die hohe Inflation zugesichert. Die Regierung werde über die schon beschlossenen Entlastungen hinaus weitere Maßnahmen ergreifen müssen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin. „Dazu ist die Regierung auch fest entschlossen.“

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Scholz betonte: „Wir werden alles dafür tun, dass die Bürgerinnen und Bürger durch diese schwierige Zeit kommen.“ Man lebe in ernsten Zeiten. Diese würden Deutschland im Herbst und Winter noch „viel abverlangen“.

Der Kanzler machte bei seinem Auftritt in der Bundespressekonferenz, der Vereinigung der Hauptstadt-Journalisten, zugleich deutlich, dass er nicht mit massiven gesellschaftlichen Verwerfungen wegen der Krise rechnet. Auf die Frage, ob er wegen steigender Energiepreise soziale Unruhen erwarte, antwortete er: „Nein, ich glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen in dieser skizzierten Form kommen wird. Und zwar deshalb, weil Deutschland ein Sozialstaat ist.“

Regierung schnürt Gesamtpaket für Entlastungen

Scholz betonte, es gehe ihm um diejenigen, „die ganz wenig haben“. Deshalb werde die Regierung beim Wohngeld etwas machen und das Bürgergeld einführen. Zu einem Gesamtpaket würden auch steuerliche Entlastungen gehören. „Der Finanzminister hat seinen Beitrag zu den notwendigen Überlegungen dazu gestern vorgestellt. Ich finde das sehr, sehr hilfreich, weil wir ja ein Gesamtpaket schnüren müssen, das alle Bevölkerungsgruppen umfasst.“ Es handele sich um einen „guten Aufschlag“ von Christian Lindner (FDP).

[Lesen Sie auch: Vermeidung von Belastung: Wie der Inflationsausgleich des Finanzministers wirken soll (T+)]

Dieses Gesamtpaket werde die Regierung vorlegen, „damit niemand alleingelassen wird, niemand vor unlösbare Probleme gestellt wird und keiner die Herausforderungen, die mit den gestiegen Preisen verbunden sind, alleine schultern muss“, sagte der Kanzler.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Scholz versicherte, die Bundesregierung habe sich auf die Schwierigkeiten vorbereitet, etwa in der Energiefrage. „Wir arbeiten sämtliche Versäumnisse der letzten Jahre ab, die in dieser Hinsicht wirklich groß waren.“

Es habe in der Vergangenheit zwar gemeinsame Entscheidungen über den Ausstieg aus der Kohleverstromung und Atomenergie gegeben, aber keine Entscheidungen, die ein großes Tempo für eine industrielle Modernisierung Deutschlands mit sich gebracht hätten. Scholz gehörte als Finanzminister selbst der schwarz-roten Vorgängerregierung an.

Weitere Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland

Scholz kündigte eine weitere massive Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer an. Der Krieg von Kreml-Chef Wladimir Putin verlange unverändert, „dass wir weitreichende Entscheidungen treffen, um die Ukraine in ihrem Kampf um Unabhängigkeit zu unterstützen“.

Die Regierung tue das durch einen „massiven Bruch mit bisheriger Praxis, indem wir Waffen liefern, sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente“. Scholz ergänzte: „Und das werden wir auch die nächste Zeit weiter tun.“

Ein Raketenwerfer MARS II steht in der Alb-Kaserne neben einer Panzerhaubitze 2000 (Symbolbild).
Ein Raketenwerfer MARS II steht in der Alb-Kaserne neben einer Panzerhaubitze 2000 (Symbolbild).

© dpa/Sebastian Gollnow

Scholz nannte den Krieg verbrecherisch und völkerrechtswidrig. „Der russische Präsident trägt die Verantwortung für diesen Krieg.“ Daher sieht der Bundeskanzler auch ein generelles Einreiseverbot für Russen nach Europa etwa als Touristen skeptisch. „Das ist Putins Krieg, deshalb tue ich mich damit schwer“, sagte Scholz.

Die EU habe bereits weitreichende Sanktionen gegen Personen aus dem Moskauer Machtzentrum beschlossen. „Das werden wir auch fortsetzen.“ Er halte es aber für nicht gerechtfertigt, Strafmaßahmen gegen alle Russen zu verhängen.

Auf die Frage, ob Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in dem Konflikt noch einmal nützlich sein könne, antwortete er: „Ich wüsste nicht.“ Es wäre aber „mal ein verdienstvolles Geschäft“, dafür zu sorgen, dass Russland die Einfuhr der Turbine für die Gasleitung Nord Stream 1 erlaube, merkte Scholz an. Die von Siemens-Energy gewartete Turbine ist derzeit in Deutschland.

Plan für die Energiekrise

Wie kommt Deutschland energiemäßig durch den Winter angesichts der stark gedrosselten Gaslieferungen aus Russland? Diese Frage stellen sich neben den Bürgern vor allem die Unternehmen hierzulande. Können andere Gasproduzenten einspringen? Und sollte nicht doch der zum Jahresende geplante endgültige Ausstieg aus der Atomenergie aufgeschoben werden?

Wasserdampf steigt am frühen Morgen bei Sonnenaufgang aus dem Kühlturm vom Kraftwerk Mehrum.
Wasserdampf steigt am frühen Morgen bei Sonnenaufgang aus dem Kühlturm vom Kraftwerk Mehrum.

© Julian Stratenschulte/dpa

Scholz rechnet damit, dass die Gasspeicher weiter gefüllt werden können. Sie seien schon jetzt wesentlich voller als im vergangenen Jahr. Außerdem werde in der Energiekrise geprüft, die drei noch im Betrieb befindlichen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Hierzu werde es „bald“ einen Beschluss geben.

Die beiden geplanten Flüssiggas-Terminals an der deutschen Nordseeküste werden nach Worten des Kanzlers noch in diesem Winter fertig. „Die ersten Flüssiggas-Terminals werden zu Beginn nächsten Jahres in diesem Winter angeschlossen“, sagt Scholz. Man habe bereits in den vergangenen Jahren daran geplant. „Deswegen wird es jetzt auch schnell gehen.“

Es sei derzeit zwar teuer Gas zu beschaffen. „Aber wir werden immer genug kriegen, darum geht es ja.“ Die Terminals gelten als entscheidend, damit Deutschland den Winter ohne Gas-Kürzungen auskommen kann.

Lesen Sie mehr zur Energie-Krise auf Tagesspiegel Plus:

Scholz warb für eine Pipeline von Portugal aus über Spanien und Frankreich nach Mitteleuropa. Er habe mit seinen Kollegen in diesen Ländern wie auch mit EU-Vertretern über das Projekt gesprochen und sehr dafür geworben, dass es realisiert werde, sagt Scholz. Eine solche Verbindung würde eine massive Entlastung bringen, fügt der Kanzler mit Blick auf die Energieabhängigkeit von Russland hinzu.

Scholz weist jede Verantwortung in Steueraffäre von sich

In der Steueraffäre um die Hamburger Warburg Bank wies Scholz weiter jede Verantwortung in seiner Zeit als Hamburger Regierungschef von sich. „Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat“, sagte er. Dafür „gibt es kein einziges Indiz.“ Das hätten die umfangreichen Untersuchungen der vergangenen zweieinhalb Jahre gezeigt. „Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht mehr geändert werden wird.“

In der Affäre geht es um sogenannte „Cum-Ex“-Geschäfte, bei denen Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System so verschoben, dass ihnen Steuern erstattet wurden, die sie nie gezahlt hatten.

Nach Treffen 2016 und 2017 mit den Bank-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg im Amtszimmer von Scholz hatte die Finanzverwaltung eine Steuerrückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank verjähren lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

[Lesen Sie auch: „Das Schließfach ist Sprengstoff“: Wie gefährlich kann die Cum-ex-Affäre für Kanzler Scholz werden? (T+)]

Die Treffen sollen unter anderem vom damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs mit angebahnt worden sein. Aus Ermittlungsakten soll hervorgehen, dass in einem Schließfach des SPD-Politikers Kahrs mehr als 200.000 Euro in bar gefunden wurden. Auf die Frage, was er über das Geld wisse, antwortete Scholz am Donnerstag: „Nichts.“

Zur möglichen Herkunft des Geldes äußerte sich der Kanzler ebenfalls wortkarg: „Keine Ahnung – ich nehme an, Sie wissen das eher als ich.“ Er habe aktuell keinen Kontakt zu Kahrs.

Der Kanzler soll nächste Woche Freitag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aussagen. Er habe bereits ausführlich Auskunft gegeben und werde dies wieder tun, so Scholz.

Modernisierung bleibt Ziel der Ampel

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP hält Scholz zufolge an ihrem Anspruch fest, eine „Fortschrittskoalition“ zu sein. „Das Thema Fortschritt in Deutschland zu bewerkstelligen, steht unverändert als große Aufgabe für uns an und das eint die drei Koalitionsparteien auch“, sagte er. Es handele sich zwar um drei unterschiedliche Parteien, die aber „klar verabredet“ hätten, die Modernisierung Deutschlands intensiv voranzutreiben.

Trotz der aktuellen Krisen sei es weiterhin der Anspruch, ein „in zehn, 20 und 30 Jahren noch führendes Industrieland mit weltweit exportfähigen Technologien“ zu sein. Die Krise erfordere es sogar, dieses Ziel „noch mit mehr Tempo“ zu verfolgen. (mit dpa, Reuters, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false