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Jewgenija Timoschenko, Tochter von Julia, spricht mit dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle.

© dpa

Ukraine, EU und Julia Timoschenko: Ausreise auf Zeit

Die EU mahnt die Ukraine, den Fall der inhaftierten Regierungschefin Julia Timoschenko schnell zu lösen. Doch der Kompromissvorschlag aus Kiew steht nun in der Kritik.

Für die Ukraine steht viel auf dem Spiel: In fünf Wochen könnten Europas Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen im litauischen Vilnius die Annäherung der Ukraine an die Europäische Union (EU) feierlich besiegeln. Doch noch ist völlig unklar, ob das Abkommen überhaupt unterzeichnet wird. Denn die EU hat es zur Bedingung gemacht, dass Kiew zuvor dringend notwendige Reformen angeht – und die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko freilässt.

Am Montag erhöhten die EU-Außenminister den Druck auf die Führung in Kiew und machten deutlich, dass es ohne eine Freilassung Timoschenkos kein Abkommen geben werde. „Wir erwarten, dass dieser Fall von Frau Timoschenko vorher gelöst wird“, sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle in Luxemburg. Niemand dürfe sich noch allzu lange Zeit lassen. Deutschland hatte angeboten, dass Timoschenko, die an einem Bandscheibenvorfall leidet, in der Berliner Charité behandelt werden kann. Seit dem vergangenen Jahr wird die frühere Regierungschefin in einem Krankenhaus im ukrainischen Charkiw von Spezialisten der Charité betreut.

Timoschenko war 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Die EU kritisierte das Urteil als Ergebnis „selektiver Justiz“, die sich gegen politische Gegner der neuen Machthaber richtete.

Für Präsident Viktor Janukowitsch ist eine Lösung im Fall Timoschenko alles andere als einfach. Eine Begnadigung seiner schärfsten politischen Gegnerin, die bereits in der Orangenen Revolution 2004 seine Widersacherin war, hat er bisher abgelehnt. Am vergangenen Donnerstag sagte er allerdings, wenn das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiede, das Timoschenkos Behandlung im Ausland ermögliche, werde er es unterzeichnen. Einen Tag später wurde der Gesetzentwurf eines Abgeordneten von Janukowitschs „Partei der Regionen“ öffentlich, der genau dies vorsieht.

Ist damit also eine Lösung des Konflikts in Sicht? So einfach ist es offenbar nicht, denn der Gesetzentwurf, der die Behandlung von Gefangenen im Ausland regelt, enthält eine Klausel, die Timoschenkos Anhängern gar nicht gefällt: Nach der Behandlung im Ausland müsste die Ex-Regierungschefin den Rest ihrer Strafe in der Ukraine absitzen. Damit wäre eine politische Betätigung der Oppositionsführerin – etwa bei den Präsidentenwahlen 2015 – undenkbar; Janukowitsch hätte die Bedingung der EU erfüllt, ohne zu sehr nachzugeben. Timoschenkos Partei „Vaterland“ fordert dagegen eine Begnadigung der Politikerin, um sie politisch zu rehabilitieren. Dass die Politikerin einer Ausreise unter den vorliegenden Bedingungen zustimmen würde, gilt als unwahrscheinlich. Ihr Mann Oleksandr kritisierte den Gesetzentwurf bereits. „Die Behörden wollen es für Julia so demütigend wie möglich machen.“

Während die EU die Ukraine mahnt, den Fall Timoschenko schnell zu klären, übt Russland massiven Druck auf das Land aus, das Abkommen nicht zu unterzeichnen und stattdessen einer Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan beizutreten. Für den Fall, dass die Ukraine in Vilnius einen Pakt mit der EU schließt, hat Russland mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gedroht. Doch der russische Druck bestärkt Kiew eher darin, den Schulterschluss mit der EU zu suchen, um sich aus der Umarmung Russlands zu befreien.

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