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Ukraine in der Kritik: EM-Verlegung gefordert – und abgelehnt

Der Druck auf die Ukraine wegen des Umgangs mit Oppositionsführerin Timoschenko wächst weiter. Deutsche Politiker wollen dem Land zur Fußball-EM die Spiele entziehen. Die Sportverbände ziehen da allerdings nicht mit.

Trotz Forderungen nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine kommt eine Verlegung der Spiele nach Deutschland derzeit nicht in Betracht. „Mit dem Gedanken einer Verlegung nach Deutschland beschäftigen wir uns keine Sekunde“, versicherte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Dienstag. Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, zeigte sich empört über entsprechende Forderungen aus der Politik. Sie zeugten „von großer internationaler Respekt- und Instinktlosigkeit“, weil sie über die Köpfe anderer Nationen und Mitveranstalter erhoben würden. Die Ukraine wird wegen ihres Umgangs mit der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko international heftig kritisiert.

Zuvor hatten mehrere Politiker verlangt, eine Verlegung der im Juni geplanten Spiele zu prüfen. FDP-Generalsekretär Patrick Döring wollte untersucht haben, ob nicht alle Spiele beim Mitausrichter Polen stattfinden könnten. Die CDU- Politikerin Erika Steinbach sagte, eine Verlegung der Spiele nach Polen, Österreich oder Deutschland wäre „das richtige politische Signal“. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, behauptete, Vertreter von Uefa, DFB und Bundesinnenministerium hätten sich schon vor mehr als einem Jahr zusammengesetzt, um ein „Krisen-Szenario“ zu entwickeln. Demnach wäre Deutschland „in der Lage, kurzfristig die ukrainischen EM-Spiele zu übernehmen“.

Das Innenministerium wies dies zurück. „Da ist nichts dran“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. In derart kurzer Zeit sei die Verlagerung in ein anderes Land gar nicht hinzubekommen, betonte Uefa-Turnierdirektor Martin Kallen in der „Süddeutschen Zeitung“. Sollte das Turnier nicht durchführbar sein, gäbe es nur die Möglichkeit, es komplett auf ein anderes Jahr zu verschieben.

In Bildern: Anschlag in der Ukraine

Der Europäische Fußballverband erhöhte derweil den Druck auf die Ukraine. Bei einem Treffen mit Regierungsvertretern und führenden Fußballfunktionären aus Polen und der Ukraine habe man auf die „von europäischen Politikern und Medien geäußerten Bedenken“ aufmerksam gemacht, teilte die Uefa mit.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte, er werde das Land zur Fußball-EM nicht besuchen. Kanzlerin Angela Merkel erwägt ebenfalls einen Boykott. Auch der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger kündigte an, nicht in die Ukraine reisen zu wollen. Er werde dort keine Spiele besuchen, „weil ich es nicht gut finde, was dort politisch passiert“. Der schleswig- holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki rief alle Fußballfans zum Boykott der Spiele in der Ukraine auf. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast appellierte an die Fußballer und Funktionäre, zum Zeichen der Solidarität mit Timoschenko einen orangefarbenen Schal zu tragen. Peter Gauweiler (CSU) forderte die Bundesregierung auf, die Ukraine wegen ihres Umgangs mit Timoschenko zu verklagen.

Nach den Worten ihrer Tochter hat sich der Gesundheitszustand Timoschenkos weiter verschlechtert. „Uns läuft die Zeit davon“, sagte Jewgenija Timoschenko in Prag. Die EU-Außenminister wollten ihr Vorgehen bei ihrem nächsten Treffen in Brüssel am 14. Mai abstimmen. Auch die USA übten Kritik an der Ukraine. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, die USA seien „zutiefst besorgt“ über den Umgang mit Timoschenko und anderen früheren Regierungsmitgliedern. Sie verlangte, der Politikerin umgehend medizinische Behandlung zu gewähren.

Der ukrainische Außenamtssprecher Oleg Woloschin warnte angesichts der Boykott-Diskussionen vor „Methoden wie im Kalten Krieg“. Der Sport dürfe nicht zur „Geisel der Politik“ gemacht werden, sagte er. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wies dies als „abwegig“ zurück. Es gehe allein um eine angemessene Behandlung Timoschenkos und die Wahrung rechtsstaatlicher Normen, sagte er.

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