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Zur Sicherheit: Truppen des ukrainischen Innenministeriums bewachten am Sonntag eine proukrainische Kundgebung in der Nähe des Lawra-Klosters in der Hauptstadt Kiew.

© REUTERS

Ukraine-Konflikt: Poroschenko will hartes Vorgehen, falls Friedensplan scheitert

Die von Kiew ausgerufene Waffenruhe wurde am Wochenende nicht eingehalten. Sollte der Friedensplan komplett scheitern, kündigt der Präsident ein hartes Vorgehen an. Moskau fordert Verhandlungen.

In einer Fernsehansprache hat der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko an die Kriegsparteien im Osten der Ukraine appelliert, seinen Friedensplan anzunehmen. Ansonsten würde ein „Plan B“ in Betracht kommen, Details dazu nannte er jedoch nicht. Die von Kiew ausgerufene Waffenruhe wurde am Wochenende nicht eingehalten. Poroschenko hatte den Friedensplan am vergangenen Freitag vorgestellt.

Poroschenko machte in seiner Ansprache deutlich, dass die Armee der Ukraine „über genügend Kräfte für einen entscheidenden Schlag verfügt“. Priorität hätten derzeit allerdings friedliche Mittel. Der Präsident erneuerte sein Angebot an die prorussischen Separatisten, die sich weder an Gewalttaten wie Entführungen oder Mord beteiligt haben, straffrei auszugehen. Dafür werde das Parlament in Kiew noch in dieser Woche entsprechende Gesetze verabschieden, kündigte der Präsident an. Sollte die am Freitag für eine Woche ausgerufene Feuerpause nicht wirksam sein, sei die Ukraine aber bereit, „die territoriale Integrität mit allen Mitteln wiederherzustellen“, sagte Poroschenko.

Samstag und Sonntag gab es Auseinandersetzungen

Das gesamte Wochenende über kam es zu Auseinandersetzungen an der ukrainisch-russischen Grenze. In Donezk und Luhansk, wurden dabei mehrere Soldaten beider Seiten verwundet, am Freitag wurde ein russischer Zöllner verletzt. Russland forderte, die Vorfälle aufzuklären. Die Auseinandersetzungen werden mit voller Härte geführt, Separatisten und Soldaten der ukrainischen Armee setzen Mörser und automatische Waffen ein.

Die vierte Nacht in Folge wurde in der 77 000 Einwohner zählenden Stadt Artemiwsk in der Region Donezk eine Reservebasis der ukrainischen Armee angegriffen. Die Kämpfer verschanzten sich in mehreren Wohngebäuden und starteten von den Balkonen aus ihre Angriffe. Im Internet ist die Rede davon, dass die Bewohner der Mehrfamilienhäuser geflohen und die Gebäude stark beschädigt worden seien.

Bei der Operation seien auch Scharfschützen im Einsatz. An die Bürger der Stadt richtete die Verwaltung einen Aufruf, sich nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr ins Freie zu begeben, da auch von Dächern in der Innenstadt geschossen werde. Probleme habe es auch schon gegeben, weil sich Anwohner geweigert haben, Separatisten in ihre Wohnungen zu lassen. „Leisten Sie keinen Widerstand, vermeiden Sie alle Verhaltensweisen, die als Provokation missverstanden werden könnten“, heißt es in einem Rundschreiben der Stadt.

Montag wird Poroschenko in Brüssel erwartet

Auch aus den Städten Kramatorsk und Slowjansk wurden am Wochenende wieder Kämpfe gemeldet. Mehrere, schwere Explosionen und das Geräusch von Panzerfahrzeugen seien in Kramatorsk zu hören gewesen. In Slowjansk sollen Panzer mit russischen Fahnen in die Stadt gefahren sein.

An diesem Montag wird Poroschenko in Brüssel erwartet. Er will dort um Unterstützung durch die westlichen Partner werben. Vor allem bei der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft und bei Fragen zu mehr Energieeffizienz wirbt die Ukraine derzeit um ausländische Investoren.

Putin sendete am Wochenende unterschiedliche Signale

Russlands Präsident Wladimir Putin sendete am Wochenende unterschiedliche Signale. Einerseits versetzte er die russischen Truppen in „volle Gefechtsbereitschaft“, andererseits ließ er verkünden, Moskau unterstütze die Friedensbemühungen in der Ukraine. Über die außerplanmäßige Übung der Luftwaffe im Zentralen Militärbezirk habe Russland seine Partner in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorab informiert, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau mit. Ziel der Übung, die am Samstag begann und bis zum 28. Juni geplant ist, sei die „Überprüfung der Gefechtsbereitschaft in Krisensituationen, durch die die militärische Sicherheit Russlands bedroht“ ist.

Am Freitag hatten russische Medien unter Berufung auf namentlich genannte Quellen im Generalstab berichtet, Moskau erwäge die Entsendung von Truppen in die Ostukraine, um die prorussischen Milizen und reguläre ukrainische Einheiten zu trennen und zur Waffenruhe zu zwingen. Eine Option, die aus Sicht von Beobachtern dann aktuell werden könnte, wenn der 15-Punkte-Friedensplan des neuen ukrainischen Präsidenten Poroschenko floppt.

Putin fordert Verhandlungen

Putin begrüße den Plan „als Gelegenheit für konstruktive Verhandlungen und politische Kompromisse“, erklärte der Sprecher des russischen Präsidenten. Zur Umsetzung des Friedensplans müssten jedoch praktische Schritte erfolgen. Der wichtigste fehle bisher: Verhandlungen der ukrainischen Führung mit den „Anhängern der Föderalisierung“, wie die offizielle russische Sprachregelung für die Separatisten lautet. Beide Konfliktparteien müssten sämtliche Kampfhandlungen einstellen und sich an den Verhandlungstisch setzen, forderte Putin. Zeitdruck und Ultimaten seien kontraproduktiv.

Die Warnung ging vor allem an die Adresse des amtierenden ukrainischen Innenministers Arseni Awakow. Dieser hatte von den Separatisten gefordert, die Waffen innerhalb einer Woche niederzulegen und abzugeben. Russland ließ den ukrainischen Innenminister am Wochenende wegen „Kriegsverbrechen“ zur Fahndung ausschreiben.

Lawrow rügt Poroschenkos Plan

Dass der Poroschenko-Plan Verhandlungen mit den Separatisten nicht zwingend vorschreibt, rügte auch der russische Außenminister Sergei Lawrow als klaren Verstoß gegen die Genfer Erklärung. Mit dieser hatten sich Russland, die Ukraine, die USA und Europa am 17. April erstmals an einer einvernehmlichen Beilegung der Krise versucht. Das Papier verpflichtet Kiew zu einer Verfassungsreform, an der alle politischen Kräfte des Landes und vor allem die Regionen beteiligt werden. Der überwiegend russischsprachige Südosten will einen Bundesstaat, Poroschenko ist bislang nur zur „Dezentralisierung der Macht“ und Erweiterung der Autonomierechte bereit.

Die Separatisten im Osten der Ukraine sind offenbar nicht zum Aufgeben bereit. Sie drohten im russischen Fernsehen bereits mit „Vorbereitungen zur Fortsetzung des Widerstands“.

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