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Ukraine: Machtkampf eskaliert

Im ukrainischen Machtkampf haben sich die Fronten verhärtet. Nach der Auflösung des Parlaments durch Präsident Viktor Juschtschenko drohte Regierungschef Viktor Janukowitsch mit vorgezogenen Präsidentenwahlen.

Kiew - "Der Präsident hat einen großen Fehler gemacht", sagte Janukowitsch vor mehreren tausend Anhängern, die vor der Obersten Rada in Kiew gegen eine Auflösung der Volksvertretung protestierten. Juschtschenko und Janukowitsch wollten am Nachmittag gemeinsam über die tiefe Verfassungskrise im Land beraten.

Juschtschenko werde mit Janukowitsch jedoch nur über die Modalitäten für eine Neuwahl des Parlaments am 27. Mai reden, sagte ein Vertrauter Juschtschenkos. Der prowestliche Präsident erklärte am Mittag alle Regierungsbeschlüsse für ungültig, mit denen der Regierungschef auf die Auflösung des Parlaments reagiert hatte. Janukowitschs Mehrheit weigert sich, den Präsidentenerlass anzuerkennen, und hatte unter anderem die Zentrale Wahlkommission der Ukraine für abgesetzt erklärt.

Krisensitzung trotz Auflösung

Abgeordnete von den Regierungsparteien kamen trotz der verfügten Auflösung der Obersten Rada am Morgen zu einer Krisensitzung zusammen. "Regierung und Parlament werden bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts über den Präsidentenerlass normal weiter arbeiten", sagte der Regierungschef nach Angaben der Agentur Interfax im Parlament. Janukowitsch verurteilte die Auflösung der Obersten Rada als "gegen das ukrainische Volk gerichtet". Das Parlament hatte noch in der Nacht das Verfassungsgericht angerufen, um den Auflösungserlass überprüfen zu lassen. Die Abgeordneten der Juschtschenko-nahen Opposition blieben der Sitzung fern.

Die Partei der Oppositionsführerin Julia Timoschenko erklärte, Juschtschenkos Entscheidung sei "der einzig richtige Schritt" gewesen. In der Obersten Rada habe sich eine "antidemokratische Koalition" unter Ministerpräsident Janukowitsch gebildet, deren Handeln die staatliche Unabhängigkeit direkt bedroht habe, hieß es in einer in Kiew verbreiteten Erklärung.

Sorge in der EU

Die Europäische Union (EU) äußerte sich besorgt über die Krise in der Ukraine. Die deutsche EU-Präsidentschaft rief die Verantwortlichen dazu auf, ihren Streit auf Grundlage der Verfassung und demokratischer Regeln beizulegen. Dazu seien Mäßigung und Kompromissbereitschaft aller Seiten erforderlich.

Die US-Regierung rief alle Parteien zu Ruhe und einem Verzicht auf Gewalt auf. Die Konfliktparteien sollten ihren Streit mit rechtsstaatlichen Mitteln austragen, heißt es in einer Erklärung des US-Außenministeriums. Russland bot an, im ukrainischen Machtkampf zu vermitteln.

Präsident Juschtschenko hatte am Montagabend das Parlament aufgelöst. Janukowitschs Mehrheit in der Obersten Rada wolle "die Macht an sich reißen und ihre Herrschaft auf ewig einrichten", sagte Juschtschenko im ukrainischen Fernsehen. (tso/AFP/dpa)

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