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Politik: Uli Hoeneß im Interview: "Spießig - das ist doch wunderbar"

Uli Hoeneß (49) ist seit 1979 Manager des FC Bayern München. Der ehemalige Nationalspieler und Weltmeister von 1974 gilt als Vordenker des deutschen Fußballs.

Uli Hoeneß (49) ist seit 1979 Manager des FC Bayern München. Der ehemalige Nationalspieler und Weltmeister von 1974 gilt als Vordenker des deutschen Fußballs. Mit provozierenden Ideen stellt er sich gern gegen die Mehrheit und wird dafür immer wieder kritisiert. Gleichzeitig ist Hoeneß ein nüchtern kalkulierender Kaufmann - nicht nur als Mitinhaber einer Wurstfabrik.

Herr Hoeneß, schmerzt es Sie, dass Sie in den vergangenen Wochen als Leo Kirchs treuer Knappe oder Mitarbeiter seiner PR-Abteilung verulkt wurden?

Das sind Schlaumeier, die so etwas sagen. Ich war in der Fernsehkommission mit dafür verantwortlich, dass wir für die Fußball-Bundesliga einen Super-Deal mit Kirch ausgehandelt haben: drei Milliarden Mark für vier Jahre Übertragungsrechte. Ich bin keiner, der sich dann, wenn ich den Deal gemacht habe, sagt: Wie der andere damit klarkommt, ist mir egal. Ich bin Partner. In guten wie in schlechten Zeiten. Und wenn der Partner Probleme hat, dann muss man ihm helfen. So habe ich meine Haltung gesehen. Wir haben Kirch viel Geld abgenommen, also müssen wir ihm auch helfen.

Und deshalb haben Sie Kirchs Entscheidung, die Fußball-Show "ran" ins Abendprogramm zu verlegen, um sein Bezahlfernsehen anzukurbeln, so lange verteidigt?

Ich verstehe eben dieses Draufhauen nicht. Bisher geht es Kirch nicht darum, Riesengewinne zu machen, sondern Verluste zu minimieren. Trotzdem muss ich akzeptieren, dass das Volk sagt, wir wollen um 20 Uhr 15 diese Fußballsendung nicht. Auch ich habe mich da geirrt. Jetzt müssen wir nur flexibel genug sein, einen Kompromiss zu finden.

Wenn aber "Ran" auf 18 Uhr 30 zurückgeht, ist der Anreiz, Kirchs Decoder zu kaufen, doch wieder weg.

Deshalb muss man jetzt versuchen, das Produkt Pay-TV zu verbessern, perfekt zu machen. Es muss gut sein, die Technik muss funktionieren, einfach zu bedienen sein. Der Service muss optimal sein, Call-Center müssen her, das ganze Programm.

Die Liga hat sich bis 2004 an Kirch gebunden. Wenn er scheitert, ist dann die Existenz der Vereine bedroht?

Natürlich müssten wir uns dann Gedanken machen. Ich bin aber absolut überzeugt davon, dass das Problem zu lösen ist. Wenn niemand reagieren würde, dann würde ich Schwarz sehen. Aber alle Beteiligten setzen sich in der kommenden Woche zusammen, um eine Lösung zu finden, damit die Leute sich wieder auf Fußball konzentrieren.

Deshalb will die Liga den Fans jetzt auf einem anderen Gebiet entgegenkommen und die ungeliebten Sonntagspiele wieder abschaffen.

Ich sehe im Moment wenig Chancen dafür. Das können wir nicht allein entscheiden, weil die Bundesliga sich in den europäischen Spielplan fügen muss. Es geht nur, wenn es am Donnerstag keine Europapokal-Spiele gibt, die Pause bis Samstag ist sonst zu kurz. Und Italien und Spanien spielen gerne am Sonntag. Langfristig müssen wir wieder dahin kommen, dass Fußball in Deutschland am Freitag und Samstag stattfindet. Der Sonntag ist für die Familie da, für den Amateurfußball. Aber es hilft ja nicht, wir müssen die kommerziellen Interessen und die des Fußball-Fans unter einen Hut bringen.

Wie würden Sie den deutschen Fußball-Fan charakterisieren: vielleicht liebenswürdig spießig?

Genau. Aber das wollen wir doch alle nicht sein, nicht wahr? Wir wollen ja modern und progressiv sein und uns den Herausforderungen der Internet-Gesellschaft stellen. Ich allerdings nicht um jeden Preis.

Sie haben kein Problem damit, wenn man Sie spießig nennt?

Das ist doch wunderbar - auch deshalb, weil es nicht in allen Belangen stimmt.

Reicht es denn, um den Erfolg des FC Bayern München zu erklären?

Nein. Wenn alle so sind, wie es das Adjektiv "spießig" ausdrückt, kommen wir nicht weiter. Wir müssen auch progressiv sein. Wir brauchen nicht nur für den FC Bayern, sondern für unser Land den konservativen und den progressiven Weg. Wir müssen alte Strukturen aufbrechen, auch die Parteistrukturen. Das geschieht ja, alles verändert sich, auch die Parteienlandschaft.

Wo sehen Sie das?

Es kommt heute viel stärker auf die Personen an als auf die Parteien und ihre Programme. Es gibt hier in Bayern einen Landkreis, da hat die SPD früher kaum mehr als fünf Prozent bekommen. Jetzt ist ein SPD-Mann Bürgermeister geworden, weil die Leute denken, er macht es gut. Das finde ich prima.

Dabei stehen Sie doch eher der CSU nahe.

Das wird mir immer nachgesagt. Ich bin aber kein CSU-Mitglied. Ich habe zum Beispiel gar kein Problem mit Rot-Grün. Wenn die CDU, im Gegensatz zur CSU, keine Politiker hat, denen man das Regieren wirklich zutraut, dann kann ich es nicht ändern. Die Grünen zum Beispiel haben zurzeit die besten Steuerexperten. Frau Scheel, Herrn Metzger. Auch vor Joschka Fischer und Hans Eichel habe ich großen Respekt. Selbst Jürgen Trittin macht sich inzwischen. Und Rezzo Schlauch. Ein wunderbarer Mensch. Genussmensch wie ich. Ich mag keine asketischen Menschen. Wenn ich einen Schweinsbraten sehe, dann esse ich ihn gerne. Ich wiege 100 Kilo, aber jedes Kilo hat viel Spaß gemacht.

Rot-Grün wird derzeit mit der Wirtschaftskrise verbunden. Sie sind mittelständischer Unternehmer und Fußballmanager und müssten unter der Krise leiden. Trotzdem sprechen Sie von Spaß - und vom bevorstehenden Superboom.

Wir Deutschen sehen alles viel zu negativ. Obwohl es uns gut geht. Die Amerikaner zum Beispiel, denen geht es in den nächsten Jahren viel schlechter als uns. Europa wird in den nächsten Jahren boomen, und Amerika wird große Probleme kriegen. Unsere Wirtschaft hat jetzt eine Delle, doch der Euro wird eine Bombenwährung. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten paar Jahren riesige Zuwachsraten haben, wenn wir endlich mal aufhören würden, immer alles so negativ zu sehen. Die ganze Welt hält unserer Sozialsystem für viel zu großzügig. Ich glaube aber, dass wir Krisen damit viel besser durchstehen können.

Auch die Krise im Fußball?

Die hatten wir während der EM. Wir sind jetzt dabei, sie zu überwinden. Denn da haben wir ein großes Ziel. Die Weltmeisterschaft 2006 ist zwar noch weit weg, aber man muss ja in relativ großen Zyklen denken heutzutage. Eine Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, fünf Jahre vor uns, das kann nur Boomzeiten bringen.

Ihr Boom scheint aber nur mit totaler Kommerzialisierung möglich: Alle Vereine nennen ihre Stadien nach Sponsoren, wie jetzt der HSV mit seiner AOL-Arena. Die Bundesliga wird zur Coca-Cola-Liga und macht ihren eigenen Fernsehkanal.

Die Leute, die sich jetzt über ein AOL-Stadion ärgern, das sind die, die uns ständig in 100-Millionen-Transfers hineindrängen wollen. Es gibt viele Medien, speziell Boulevard, die sich permanent darüber mokieren, dass der FC Bayern keinen Zidane kauft, keinen Figo. Das ist genau die Inkonsequenz in unserem Land, die mich aufregt. Entweder die Leute sagen, wir wollen international wettbewerbsfähig sein, dann müssen wir Geld einnehmen. Oder es interessiert uns nicht, ob Deutschland die WM bekommt, ob der FC Bayern die Champions League gewinnt, ob wir genug Europapokalplätze haben oder nicht. Wer international wettbewerbsfähig sein will, muss mit den Wölfen heulen.

Welche Wölfe?

Unsere Konkurrenz in England, Italien und Spanien.

Vor deren Größenwahn Sie immer gewarnt haben.

Ich hoffe tatsächlich, dass dieser Karren mal vor die Wand fährt. Ich glaube, dass einige große Vereine in Italien und Spanien kaputt gehen. Es gibt ja schon Beispiele: Florenz, Atletico Madrid, Las Palmas, beide Klubs in Sevilla. Auch Benfica Lissabon ist im Prinzip am Ende. Viele Vereine hängen ab von mächtigen Männern, und wenn die gehen, dann wollen wir mal schauen. Und um so weniger von ihnen da sind, um Riesengehälter zu zahlen, um so weniger können die Spieler und Spielerberater uns in Deutschland unter Druck setzen.

So einfach ist das?

Ja, denn dann brauchen wir nicht mehr so viel zu bezahlen. Zum Beispiel müssen wir dann einem Spieler, nur dafür, dass er bei uns bleibt, nicht mehr so viel Geld mehr zahlen. Und wenn wir das nicht müssen, dann müssen wir auch nicht mehr so viel Geld fordern. Das ist der Kreislauf, irgendwo müssen wir das Geld herholen, beim kleinen Mann im Stadion wollen wir es nicht holen, also bleibt das Fernsehen, das Sponsoring und Merchandising, der Fanartikelverkauf. Wir wollen uns nicht bereichern, sondern diesen Betrieb am Laufen halten.

Wenn Sie die Kommerzialisierung so stört, wäre es dann nicht besser, der Fußball würde zu den Öffentlich-Rechtlichen zurückkehren?

Auch damit habe ich kein Problem. Schauen Sie, wir haben etwa 30 Millionen Haushalte. Manchmal denke ich, wenn die zwei Mark mehr Rundfunkgebühr zahlen würden, das wären 60 Millionen Mark im Monat. Die Leute würde das überhaupt nicht treffen. Und dann kann man sehr viel Fußball haben, jedes Spiel 15 Minuten zwischen 18 und 20 Uhr, von mir aus.

Sagen Sie es doch einmal den Politikern.

Die Politiker profilieren sich doch immer wieder gern mit dem Fußball. Wenn sie Brot und Spiele haben wollen für das Volk, wenn sie wirklich an den Bürger denken würden, dann müssten sie sagen: Das kostet den Bürger zwei bis drei Mark im Monat mehr. Das kann sich jeder in diesem Land leisten. Dann hätten sie den Fußball da, wo er hingehört, beim Volk.

Aber auch diejenigen, die sich nicht für Fußball interessieren, müssten dann mehr Gebühren zahlen.

Ja selbstverständlich. Ich muss ja auch eine Gebühr zahlen, obwohl ich persönlich kaum Fernsehen schaue. Vielleicht zwei, drei Stunden im Monat. Wenn der Fußball so finanziert würde, wäre auch der Vorwurf der Kommerzialisierung vom Tisch. Keiner würde sich mehr aufregen, dass sich jemand bereichert, sondern würde sagen, der Staat kümmert sich mit den Öffentlich-Rechtlichen darum.

Der Staat als Hüter der Fußballkultur?

Warum nicht. Fußball ist eine öffentliche Aufgabe.

Das klingt ja fast sozialistisch.

Ganz so ist es nicht. Die Privaten können sich dann um den kommerziellen Fußballwettbewerb kümmern. Wer ihren Rundum-Service will, der muss einen Decoder kaufen und dafür zusätzlich bezahlen.

Vielleicht sind die Deutschen aber grundsätzlich zu konservativ für das Pay-TV.

Es gibt hier tatsächlich eine andere Tradition und andere Voraussetzungen. In England ist Pay-TV erfolgreich. In Deutschland ist alles Neue schwierig, wir brauchen mehr Zeit. Das hat mit den Abläufen zu tun, die in Sachen Fußball seit über 20 Jahren in unseren Familien stattfinden, die sich eingebürgert haben. Das möchte man nicht einfach geändert sehen. Man hat sich daran gewöhnt.

Das müsste Ihnen doch als mittelständischer deutscher Unternehmer, der stets bestimmte Werte bemüht - Familie, Tradition -, sympathisch sein. Gibt es denn auch beim FC Bayern so eine Art traditionell deutsches Modell?

Vielleicht unterscheiden wir uns so: In Italien und Spanien betrachtet man die Spieler mehr als Maschinen. Die sie eintauschen, austauschen, sie benutzen, sie einstellen und feuern. Der FC Bayern ist wie eine Familie.

Ein Familienbetrieb wohl eher.

Ganz genau.

Sie reden von Familienbetrieb und von Bodenständigkeit, andere sagen: FC Bayern, der Klub der Millionäre. Reizt Sie nicht bei all Ihrem Erfolg auch der entsprechende Glamour?

Wir wollen keinen Glamour. Sie werden mich kaum auf einem VIP-Treffen sehen, nicht in der "Gala", der "Bunten" oder sonstwo. Das bin ich nicht. Ich mache meinen Job, und sonst bin ich zu Hause. Wir werden trotzdem als Glamour-Klub gesehen. Na und? Die Tatsache, das wirkliche Leben, das spielt sich hier ab. Im Klub.

Und außerhalb des Klubs?

Mit meiner Frau beim Italiener um die Ecke, beim Golfen, mit Freunden bei uns zu Hause. Auch im Biergarten. Und vor allem beim Grillen. Ich bin ja ein Großmeister des Grillens. Da bin ich König.

Herr Hoeneß[dass Sie in de], schmerzt es Sie[dass Sie in de]

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