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© dpa

Ulla Schmidt: Geflogen

Nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt verliert Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ihren Platz im SPD-Kompetenzteam.

Berlin - Sie kam bereits am frühen Nachmittag aus ihrem Urlaub zurück, per Linienflug. Doch bis Ulla Schmidt wie versprochen vor die Journalisten trat, vergingen noch mehrere Stunden. Die Gesundheitsministerin musste zuvor noch etwas ausgiebiger mit dem Kanzlerkandidaten reden. Und zwar über die Folgen dessen, was ihr als als Dienstwagen-Affäre nach Berlin vorausgeeilt ist. Schmidt hatte für zwei kleine Termine in ihrem spanischen Urlaubsort nicht nur ihren Chauffeur samt Wagen für 20 Tage nach Spanien beordert, sondern sich die schwere Limousine dort auch noch klauen lassen. Und nach dem Treffen mit Frank-Walter Steinmeier im Ministerium war klar: Die Sache mit dem Dienstwagen kostet die SPD-Politikerin ihren sicher gewähnten Platz im Wahlkampfteam des Kandidaten.

Immerhin ist der rund 100 000 Euro teure Dienst-Mercedes wieder aufgetaucht. Nach Angaben der spanischen Polizei wurde er am Dienstagabend in der Nähe von Alicante sichergestellt. Dazu habe wohl auch das große Medieninteresse beigetragen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die Sache sei den Dieben offenbar zu heiß geworden.

Am Abend dann verlas die Ministerin mit gebräuntem, aber starrem Gesicht eine Erklärung. Darin betonte sie, dass sie Haushaltsausschuss und Bundesrechnungshof um die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ihres Verhaltens gebeten habe. Und dass sie Steinmeier angeboten habe, auf ihre Mitgliedschaft in seinem Team zu verzichten, bis alles geklärt sei. Steinmeiers Umgebung wird dies später zwar etwas anders darstellen. Aber wichtiger dürfte den Genossen, die sich über den vermasselten Wahlkampfauftakt ärgern, etwas anderes sein. Anders als in ihrer ersten barschen Reaktion, wonach ihr der Dienstwagen im Urlaub zustehe, äußerte Schmidt nun „großes Verständnis“ für Irritationen und Kritik vieler Bürger angesichts der Berichterstattung über das gestohlene Auto. Es sei gut, sagte sie, dass die Steuerzahler „ein wachsames Auge“ auf regelgerechtes Verhalten von Politikern hätten, sagte sie.

Derweil mühten sich ihre Mitarbeiter um Schadensbegrenzung. Staatssekretär Klaus Theo Schröder rechnete dem Haushaltsausschuss vor, dass die 5000 Kilometer lange Dienstwagenreise mit Chauffeur „wirtschaftlich“ gewesen sei. Die Kosten dafür lägen bei 3200 Euro, heißt es in dem Brief an den Ausschussvorsitzenden Otto Fricke (FDP), der dieser Zeitung vorliegt. Bislang hatte das Ministerium nur Spritkosten von rund 500 Euro eingeräumt.

Schröder begründete den Einsatz des Wagens damit, dass man die notwendige „Büromindestausstattung“ nach Spanien transportieren musste. Schließlich sei die Ministerin auch im Urlaub „laufend“ über dienstlich Relevantes zu informieren. Die Beförderung von Drucker, Computer und Papier per Flugzeug sowie eine Auto-Anmietung vor Ort hätte ihm zufolge 3710 Euro gekostet. Dann nämlich hätte auch ein Mitarbeiter zweimal nach Spanien fliegen müssen, um die Ausstattung auf- und abzubauen. „In der Gesamtbetrachtung ist Variante 1 die wirtschaftlichere Lösung“, heißt es in dem Schreiben. Da es sich um ein Leasing-Fahrzeug handelt, sei der Wertverlust nicht berücksichtigt. Der Bund der Steuerzahler hatte die Abnutzung miteingerechnet und war auf Gesamtkosten von 9400 Euro gekommen.

Haushaltspolitiker mehrerer Fraktionen äußerten Kritik. „Die Berechnungen, die der Staatssekretär vorgelegt hat, sind eine Lachnummer“, sagte der CDU- Haushälter Georg Schirmbeck dem Tagesspiegel. Die Darlegung, man hätte die Büroausstattung an den Urlaubsort transprotieren und dort aufbauen müssen, sei „albern“. „Einen guten Drucker bekommt man für 150 Euro. Wenn die Ministerin dort regelmäßig Urlaub macht, würde sich die Anschaffung lohnen“, sagte Schirmbeck. „Die Rechthaberei ist fehl am Platz. Frau Schmidt fehlt ein bisschen Demut.“ Der Grünen-Haushaltsexperte Alexander Bonde sagte, das Ministerium verstricke sich zunehmend in Widersprüche. „Erst waren es dienstliche Termine, für die ein Dienstwagen am Urlaubsort in Spanien notwendig war, dann bestand die Ministerin auf ihrem Rechtsanspruch, jetzt führt das Haus den Transport von Büromaterial als Begründung für den Dienstwagen an. Welche Ausrede kommt als Nächstes?“ Die Vize-Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Gesine Lötzsch, kritisierte, es passe nicht zusammen, wenn die Ministerin Sparsamkeit predige und gleichzeitig abenteuerliche Begründungen für die Nutzung ihres Dienstwagens liefere. „Frau Schmidt hat völlig die Bodenhaftung verloren.“

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