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Politik: Um ein Haar

Ein Barschel-Beweisstück ist verschwunden

Kiel - Der bis heute nicht geklärte Tod des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) vor 24 Jahren in einem Genfer Hotelzimmer liefert wieder neue Nahrung für Mythen, Legendenbildungen und Verschwörungstheorien. Den Anstoß dafür bietet ein verschwundenes fremdes Haar, das seinerzeit auf dem Kopfkissen des Kieler Regierungschefs in Genf gefunden wurde und als Beweisstück Nummer 84 Eingang in die damaligen staatsanwaltlichen Ermittlungen fand.

Mit der inzwischen möglichen kriminaltechnischen Identifizierungsmethode einer genetischen DNA-Analyse, die man früher noch nicht kannte, wollte das Landeskriminalamt in Kiel noch einmal auf Spurenuntersuchung gehen. Auf Barschels Kleidungsstücken sind inzwischen nur dessen eigene Hautpartikel gefunden worden. Als man sich nun beim LKA auch des besagten Haares annehmen wollte, stellte sich heraus, dass das aufbewahrende Plastiktütchen mit dem Beweisstück leer war. Seit 1995 lagerte es als Asservatengegenstand bei der Lübecker Staatsanwaltschaft.

Die Witwe Freya Barschel hat jetzt über den Hamburger Anwalt Justus Warburg eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen Strafvereitelung im Amt gestellt. Nun wird wohl der Generalstaatsanwalt in Schleswig sich des Falls annehmen, würde ansonsten doch der Verdacht einer Befangenheit auf der Lübecker Ermittlungsbehörde liegen. Spannend sind nun nicht nur das Auffinden des Haares, sondern auch die Umstände seines Verschwindens. Das bringt nun auch den parteilosen Justizminister Emil Schmalfuß in Erklärungsnot. Er soll am kommenden Donnerstag, fünf Tage, bevor sich der Tod zum 24. Mal jährt, im Innen- und Rechtsausschuss darlegen, ob womöglich „nur“ geschlampt wurde oder ein Justizskandal hinter der Sache steckt; könnte man doch nun wieder mutmaßen, dass es sich beim Barschel-Tod um keinen Suizid gehandelt hat, sondern das Haar zu einem bisher unbekannten Täter führt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Werner Kalinka glaubt bis heute an die Mordthese. Auch der früher verantwortliche Ermittler in Lübeck, Heinrich Wille, will eine Fremdtat nicht ausschließen. Der inzwischen in Pension gegangene strittige Jurist gibt zu, die 142 gesammelten Beweisstücke in einem besonders gesicherten Stahlschrank seines damaligen Büros aufbewahrt zu haben und nicht wie üblich in der Asservatenkammer.

Damit muss sich nun auch Wille, der erst Ende August ein justizkritisches Buch zu dem Fall Barschel veröffentlicht hat, bohrende Fragen gefallen lassen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck erinnerte sich jetzt, dass vor vier Jahren einige Asservate des Barschel-Falles im Konferenzraum ausgelegt wurden, damit Journalisten Foto- und Filmaufnahmen machen konnten. Man prüfe nun, ob noch weitere Gegenstände abhandengekommen sind. Dieter Hanisch

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