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Verschiebung in der Wahrnehmung: China steht für die Deutschen mittlerweile vor den USA.

© Sebastian Gollnow/dpa

Exklusiv

Umfrage der Atlantik-Brücke: Deutsche vertrauen China mehr als den USA

Eine Umfrage für die Atlantik-Brücke zeigt, wie die Deutschen sich von den Vereinigten Staaten abwenden. Viele halten die deutsche Außenpolitik für wirkungslos.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey im Auftrag der Atlantik-Brücke belegt eine tiefgreifende Vertrauenskrise zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Vier Fünftel der Befragten werten demnach das deutsch-amerikanische Verhältnis als negativ oder sehr negativ. Bei den Wählern der Grünen sind es sogar 91,2 Prozent.

Fast 60 Prozent sprechen sich für eine stärkere Distanzierung Deutschlands gegenüber den USA aus. Nur 13 Prozent wünschen sich eine Annäherung zwischen beiden Ländern. Gleichzeitig halten 42,3 Prozent der Befragten China für einen besseren Partner Deutschlands als die USA. Nur 23,1 Prozent vertreten die umgekehrte Meinung. Dabei haben die Wähler der Linken mit 56,3 Prozent das größte Vertrauen in China, die der AfD mit immerhin noch 31,6 Prozent das geringste.

Knapp 45 Prozent halten deutsche Außenpolitik für wirkungslos

Allerdings trauen nur knapp 20 Prozent aller Befragten der deutschen Außenpolitik insgesamt überhaupt einen positiven Einfluss auf das Weltgeschehen zu. 44,8 Prozent halten die deutsche Außenpolitik im globalen Umfeld sogar für wirkungslos, 34 Prozent finden, dass die Wirkung der deutschen Außenpolitik negativ sei. Die sich in diesen Zahlen ausdrückende Skepsis gegenüber deutschem Einfluss und globalen Engagement wird durch die Ansichten der befragten Wählerinnen und Wähler zu einem militärischen Engagement Deutschlands im Ausland noch unterstrichen. 79,9 Prozent der Befragten sind gegen ein militärisches Engagement der Bundeswehr, nur 14,4 Prozent sind dafür.

Fast im Widerspruch zu dieser Abstinenz gegenüber jeglichem internationalen Engagement scheint eine Mehrheit von 55,6 Prozent zu sein, die sich für unveränderte oder sogar verschärfte Sanktionen gegenüber Russland ausspricht. Hier differiert das Bild zwischen Ost- und Westdeutschland jedoch stark. In der früheren DDR sind 52,5 Prozent für eine Lockerung der Sanktionen, im Westen nur 36,3 Prozent.

Von der Ratlosigkeit der Bevölkerung

Der Vorsitzende des Auswärtigen Bundestagsausschusses, Norbert Röttgen, CDU, der auch Mitglied des Vorstands der Atlantikbrücke ist, sieht in einer Analyse der Umfrage ein Paradoxon des Verhaltens: Einerseits distanzierten sich die Deutschen von den USA, die ja im Rahmen der Nato eine Sicherheitsgarantie für die Bundesrepublik geben, andererseits weigerten sich die Deutschen aber, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen. Darüber müsse man reden, auf der Basis diesen Widerspruches könne man keine Politik machen, sagte der CDU-Politiker.

Die Umfrageergebnisse zeigten vielmehr die ganze Ratlosigkeit der Bevölkerung. Dies sei auch die Folge des Fehlens einer grundlegenden strategischen außenpolitischen Debatte. Allerdings müsse man sich in Deutschland dann auch darüber im Klaren sein, dass die Beschäftigung mit der außenpolitischen Verantwortung des eigenen Landes zu unangenehmen innenpolitischen Diskussion führen werde. Die Debatte müsse jetzt aber dringend geführt werden. Dies zu tun, seien vor allem die Parteien aufgerufen. Röttgen bezweifelt, dass die Europäische Union der 27 in den nächsten Jahren zu einer gemeinsamen, konsistenten Außenpolitik in der Lage sei. In dieser Debatte müssten dann wohl vier oder fünf Nationen voran gehen.

Die Atlantikbrücke ist ein 1952 gegründeter überparteilicher Verein, dessen Ziel die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und den USA ist. Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat im Auftrag der Atlantik-Brücke im November und Dezember 2018 insgesamt 80.000 Wählerinnen und Wähler befragt, wobei zu jeder der 16 gestellten Fragen jeweils 5.000 Voten berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse sind nach Angaben von Civey bei einer statistischen Fehlerquote von 2,5 Prozent repräsentativ.

Gerd Appenzeller

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