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Tschechien, Prag: Demonstranten tragen die Flagge der Europäischen Union als Zeichen ihrer Unterstützung.

© Kateøina Šulová/CTK/dp

Umfrage zur Europawahl: Angetrieben vom Dagegensein

Viele Europäer wählen nicht für, sondern gegen Parteien. Eine neue Studie zeigt auch: Die politischen Ränder sind stärker mobilisiert als die politische Mitte.

Von Hans Monath

Dagegen statt dafür – mit dieser Haltung gehen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung viele Europäer in die Europawahl Ende Mai. „Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen“, sagte Mitautor und Demokratieexperte Robert Vehrkamp bei der Vorstellung der Studie am Freitag.

Im Durchschnitt aller Parteien identifizieren sich nur etwa sechs von 100 Wahlberechtigten (6,3 Prozent) positiv mit einer Partei. Dagegen hat fast jeder Zweite (rund 49 Prozent) eine negative Parteiidentität, lehnt also eine oder sogar mehrere Parteien vollständig ab. Die Europäer könnten sich also bei ihrer Wahlentscheidung mehrheitlich von ihrer Ablehnung bestimmter Parteien leiten lassen. Für die Studie mit dem Titel „Europa hat die Wahl“ hatte die Stiftung in zwölf europäischen Ländern fast 24.000 Wahlberechtigte befragen lassen.

Jeder zehnte wahlberechtigte Europäer (10.3 Prozent), so ergab die Befragung, ist fest entschlossen, bei der Wahl für rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien zu stimmen. Auf der anderen Seite gaben 6,2 Prozent der Befragten an, sicher linksextreme oder linkspopulistische Parteien zu wählen. Rund 52 Prozent erklärten dagegen, sie würden ihre Stimme niemals Parteien aus diesen Spektren geben. Zum Vergleich: Der Studie zufolge liegt der Anteil derjenigen, die in jedem Fall die Grünen wählen wollen, nur bei 4,4 Prozent.

Zahlen zeigen die Polarisierung bei den Wählern

„Die populistischen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwählerbasis zu schaffen. Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigen aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen“, sagte Vehrkamp. Der Studie zufolge würden 50,7 Prozent der Befragten nie liberale Parteien wählen, 47,8 Prozent nie Christdemokratische oder konservative Parteien und 47 Prozent nie die Grünen. 42 Prozent sprechen sich generell gegen sozialdemokratische und sozialistische Parteien aus.

Nach Angaben der Autoren ergibt die Befragung auch, dass die Anhänger der europakritischen Parteien an den politischen Rändern stärker mobilisiert sind als die noch etwas wahlmüde politische Mitte. „Die Höhe der Wahlbeteiligung wird für das Wahlergebnis und die Zukunft Europas entscheidend sein“, kommentierte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Stiftung. Die Mobilisierung der überwiegend proeuropäischen Mitte sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es zu arbeitsfähigen Mehrheiten im neuen europäischen Parlament komme.

Gefühl von der Politik nicht vertreten zu werden

Studien anderer Organisationen zufolge könnten die Europäische Volkspartei (EVP) und die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament ihre gemeinsame Mehrheit nach der Wahl verlieren und auf weitere oder neue Koalitionspartner angewiesen sein.

Die Studie bemühte sich zudem, die Ursache für Populismus zu ergründen. Das Gefühl von der Politik nicht vertreten zu werden, ist nach Ansicht der Autoren der wesentliche Grund für den Zulauf zu populistischen Parteien. „Je schlechter sich Menschen von der Politik repräsentiert fühlen, desto empfänglicher werden sie für populistische Botschaften und desto eher wählen sie auch populistische Parteien“, sagte Vehrkamp.

Für die Studie „Europa hat die Wahl - Populistische Einstellungen und Wahlabsichten bei der Europawahl 2019“ hatte das Meinungsforschungsinstituts YouGov im Januar 2019 insgesamt 23.725 Wahlberechtigte aus zwölf Mitgliedstaaten der EU interviewt.

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