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Ein Arzt des Medical Centers in Xi'an verabschiedet sich vor seinem Einsatz in Wuhan von seiner Frau.

© imago images/Xinhua

Umgang mit dem Coronavirus: In China wächst die Angst – und die Wut auf die Regierung

Täglich neue Todesnachrichten, Hausarrest für Familien: Viele Bürger Chinas kritisieren inzwischen den Umgang ihrer Regierung mit dem Coronavirus.

Eigentlich sollte man – nach traditionellem chinesischen Glauben – die ersten Tage nach Neujahr nicht putzen, denn man könnte das Glück wegputzen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Seit Tagen sitzt Familie Li in Peking zu Hause auf 60 Quadratmetern fest. Beide Eltern, das Kind und die 70-jährige Mutter von Frau Li, und weil es nichts zu tun gibt, wird aufgeräumt, sortiert, geputzt.

So berichten sie es am Telefon. Auch die fünfjährige Tochter geht, seitdem das Bildungsministerium die Ferien wegen des Coronavirus im ganzen Land verlängert hat, nicht mehr in den Kindergarten. Immerhin kann sie, das erfährt man beim Gespräch mit der Familie von Berlin aus, zu Hause derzeit Geige spielen, malen und sich in Kalligraphie üben.

Ein Nachbarschaftskomitee besucht Anwohner in Jiangxi und registriert ihren Reiseverlauf.
Ein Nachbarschaftskomitee besucht Anwohner in Jiangxi und registriert ihren Reiseverlauf.

© REUTERS/Thomas Peter

Seitdem die Pekinger Regierung die Krankheit nicht mehr schönredet und quasi das ganze Land in Hausarrest geschickt hat, versucht sie Gesicht zu wahren. Da war das Reiseverbot für Chinesen in die USA ein Geschenk: Panikmache wirft die Regierung den USA nun vor. Auch die Tatsache, dass die US-Regierung die erste gewesen war, die ihr Konsulat in der Stadt Wuhan evakuiert habe, war nicht hilfreich, sagt eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.

Das Einreiseverbot für Ausländer, die sich in den vergangenen zwei Wochen in China aufgehalten hätten, würde nicht nur Angst schüren, sondern wäre auch ein schlechtes Vorbild. Andere Länder wie Frankreich, Großbritannien, Japan, Iran und Russland dagegen seien viel solidarischer und hätten zum Beispiel medizinische Ausrüstung, Schutzanzüge und Atemmasken geliefert.

Filtermasken sind ausverkauft

N-95-Masken, die so genannt werden, weil sie zu 95 Prozent Staub, Feinpartikel und Viren aus der Luft filtern, seien in China ausverkauft, sagt eine Geschäftsfrau aus Schanghai, die noch versucht hatte, welche in Deutschland zu besorgen. Sie ist mit ihrer Familie in ein Ferienresort nach Thailand geflogen. „Der Urlaub war längst geplant und die Schulen und Universitäten sind alle dicht, aber wir fliegen dieses Wochenende auch schon wieder zurück“, erzählt sie über den Kurznachrichtendienst WeChat. Der ist das soziale Medium Chinas und im Dauereinsatz.

Mitarbeiter packen in einer Produktionsstätte Schutzmasken ein. Die Nachfrage ist stark gestiegen.
Mitarbeiter packen in einer Produktionsstätte Schutzmasken ein. Die Nachfrage ist stark gestiegen.

© AFP/Sam Panthaky

Viele, die zu Hause festsitzen, tun den ganzen Tag wenig anderes, als nach Freunden zu suchen, Ratgeber weiterzuschicken und sich gegenseitig Mut zu machen. Wenn nun die Masken knapp werden, wie soll man sich behelfen?

Doch ob mit oder ohne Atemmasken – die meisten versuchen, andere Menschen zu meiden. Das ist das oberste Gebot derzeit für die, die in den Großstädten wohnen. Auf WeChat sieht man, wie die Polizei mit Drohnen Straßen überwacht. Aus den angebrachten Lautsprechern kommen dann Anweisungen: „Onkelchen, geht nach Hause! Du darfst nicht ohne Maske auf die Straße!“

Menschen stehen in Peking in einer Schlange an, um Atemmasken zu kaufen.
Menschen stehen in Peking in einer Schlange an, um Atemmasken zu kaufen.

© REUTERS/Carlos Garcia Rawlins

„Wollt ihr ganz China absperren?“, fragt ein Mann aus Wuhan, der sich den Spitznamen Masken-Bruder gegeben und Videos auf Youtube und Twitter gestellt hat. Er beschimpft darin die Regierung: „Haltet ihr uns wirklich für so blöd, wir sind noch nicht alle gehirngewaschen, die Übertragung der Krankheit erfolgt doch nicht nur über die Atemwege.“

Viele kritische Nachrichten wurden gelöscht

Einer der größten Kritikpunkte in den sozialen Medien ist auch, dass Peking zu lange so getan habe, als sei alles unter Kontrolle. Viele dieser privaten Nachrichten sind inzwischen gelöscht worden. Doch schon früh haben sich die Menschen über WeChat-Kanäle bei Ärzten, Journalisten oder Krankenhauspersonal informiert. Sie vertrauten den Staatsmedien nicht.

Ein Nutzer aus Wuhan lud in den Tagen, als die Stadt unter Quarantäne gestellt wurde, immer wieder Videos von Warteschlangen vor den lokalen Krankenhäusern hoch, die ihm andere Nutzer schickten, es gab zu wenig ausgebildetes Personal und Versorgungsengpässe.

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Mittlerweile kursieren Bilder von Ärzten in Wuhan, die angegriffen werden, Angehörige von Erkrankten sind wütend. Seit Tagen gibt es immer wieder neue Meldungen von Toten. Die Zahl der Erkrankten ist in Wuhan am höchsten.

Aber nicht nur wegen der mangelnden medizinischen Versorgung sind die Menschen dort alarmiert. Immer öfter wird die Frage gestellt, wie es weitergehen soll, gerade für die, die derzeit nicht von zu Hause arbeiten können und darauf angewiesen sind, anderswo Geld zu verdienen. Jetzt steht im Land vieles still. In dieser Situation kann, wer sucht, auch keine Arbeit finden.

Die Städte in China sind wie ausgestorben

Die, die sich keine Sorgen darüber machen müssen, wo die nächste Mahlzeit herkommt, versuchen die Ruhe zu bewahren: „So lange kein Krankheitsfall in der Familie bekannt ist, versuchen wir täglich ein wenig rauszukommen und uns die Beine zu vertreten. Ansonsten meiden wir Restaurants, Plätze und gehen nur in den Supermarkt, um Lebensmittel für einen längeren Zeitraum einzukaufen“, sagt das Rentnerpaar Zhang, das derzeit in Wuhan ist und nicht mehr aus der Stadt herauskommt.

Wie leergefegt: Eine Frau geht während des morgendlichen Berufsverkehrs durch eine normalerweise stark frequentierte U-Bahn-Station in Peking.
Wie leergefegt: Eine Frau geht während des morgendlichen Berufsverkehrs durch eine normalerweise stark frequentierte U-Bahn-Station in Peking.

© dpa/Mark Schiefelbein

Aber nicht nur in Wuhan – die Städte in China sind wie ausgestorben. Am Anfang war noch Humor zu spüren. In den „moments“ genannten Posts auf WeChat wurde anfangs darüber gescherzt, dass es ein „Nationales Virus“ sein müsste, da es zunächst nur in China aufgetreten war. Zum Chinesischen Neujahr schickte man sich süße Videos von Ratten, die sich mit Seife wuschen. Irgendwann konnte man seinem Profilbild eine Maske hinzufügen.

Sehr schnell solidarisierte sich die Nation mit den Mitbürgern in Wuhan. Tagelang waren auf den sozialen Medien nur noch Posts zu sehen wie: Wuhan, du schaffst das!

Die Stimmung in China kippt

Das war ein Moment, in dem die Regierung in Peking die Menschen, trotz aller Kritik an ihrer bisherigen Informationspolitik, noch erreicht hat. Zwischenzeitlich wurde Peking sogar noch gelobt für die „Transparenz“ bei der Kommunikation und für das harte Durchgreifen in den Regionen um Wuhan, um den Erreger einzudämmen. Doch die Stimmung kippt. Zwar herrschen noch keine Hysterie und Panik, doch es gibt immer mehr Misstrauen gegenüber der Art und Weise, wie die Regierung mit der Situation umgeht.

Ein Mitarbeiter trägt einen Sicherheitsanzug weist einen Fahrgast in einer U-Bahn-Station in Peking an.
Ein Mitarbeiter trägt einen Sicherheitsanzug weist einen Fahrgast in einer U-Bahn-Station in Peking an.

© dpa/AFP/Mark Schiefelbein

Am Montag wäre der erste Arbeitstag nach den Ferien für viele Menschen gewesen, doch stattdessen wurde angeordnet, dass sie weiter zu Hause bleiben sollen. Für viele Familien, die auf kleinem Raum leben, hat dies noch mehr zur Verzweiflung geführt. Denn sie haben sich darauf gefreut, dass wieder eine Art von Normalität in ihr Leben einkehrt.

Und eigentlich stünde nun die größte Reisewelle nach dem chinesischen Neujahr an. „Ich muss nun meinem Arbeitgeber täglich sagen, wo ich mich aufhalte und wie meine Körpertemperatur ist“, so eine Angestellte. Einige ihrer Kollegen, die schon wieder arbeiten, müssen vor Betreten des Dienstgebäudes zwei Mal die Körpertemperatur messen lassen, bevor sie zu ihren Arbeitsplätzen dürfen.

Ning Wang

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