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Umgang mit Pegida: Es darf nicht zu dunkel werden in Deutschland

Das Ausschalten der Lichter am Kölner Dom oder dem Brandenburger Tor sollte einen Protest gegen Pegida bekunden. Doch statt der Verdunklung brauchen wir mehr Licht in der Debatte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Am Kölner Dom, bei der Dresdner Semperoper und der gläsernen VW-Manufaktur oder auch in Berlin am Brandenburger Tor gingen am Montagabend die Lichter aus. Kirche, Staat, Wirtschaft und Kultur wollten so an einigen herausgehobenen Orten ein Zeichen setzen gegen die dort aufmarschierenden „Pegida“-Anhänger.

Viele Menschen, denen schon die Selbstbezeichnung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ pathetisch verstiegen erscheint, werden die symbolische Geste erst mal sympathisch gefunden haben. Einst hatten Lichterketten und Mahnwachen im Kerzenschein die originalen Montagsdemonstrationen in Dresden, Leipzig und anderen Städten gegen die DDR-Diktatur beleuchtet – und nach der Wiedervereinigung wurden so Zeichen gesetzt gegen neue Fremdenfeindlichkeit und alten Rassismus.

Frei nach Mackie Messer

Umgekehrt sollte das Ausschalten des Lichts jetzt einen ähnlichen Protest bekunden. Frei nach Mackie Messers Song aus der „Dreigroschenoper“ – „und man sieht (nur) die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“ – wollte man einfach den Stecker ziehen. Wollte den „Pegidas“ im Scheinwerfer der Medien nicht gratis noch die prominent illuminierte Kulisse für ihre Parolen bieten.

Im Fernsehen mögen die dunklen Silhouetten nun wie eine stumme Mahnung wirken. Doch wer zum Beispiel in Berlin am Montagabend das abgedunkelte Tor in Nacht und Regendunst real erlebt hat, der konnte sich eher beklommen fühlen. Wobei sich die absurde Pointe ergab, dass dort auch die mehrheitlich versammelten Anti-„Pegida“-Demonstranten in Düsternis befangen waren. Was sich so darbot, war ein unheimlicher Eindruck. Als sei das ganze Land bereits von einer relativen Randbewegung erschüttert, hüllte die Hauptstadt ihr weltbekanntes Wahrzeichen ins Nachtgrau, als müsste man auch das eigene Gesicht in Trauer und Sorge verbergen.

Vielleicht wirkt das dennoch als ungewöhnliches Zeichen. Aber anders als Lichterketten und Leuchtmale lässt sich so etwas nicht Woche für Woche wiederholen. Denn der Blackout als Gegenprotest ist auch ein Kurzschluss. Gleich, ob man gegen kaum getarnte Fremdenfeindlichkeit und naziverwandte Parolen (wie den Ruf „Lügenpresse!“) Widerspruch einlegt oder mit den verunsicherten bürgerlichen Mitläufern den vielfach geforderten Dialog sucht: Die Auseinandersetzung muss bei vollem Licht geführt werden. Aufklärung heißt englisch „enlightenment“, bedeutet also Erleuchtung, das Gegenteil von Verdunklung.

Der gewiefte Wolfgang Kubicki

Dabei denkt man manchmal, es kann doch nicht so schwer sein. Man müsste doch auch wenig informierten Menschen, die Angst haben vor Arbeitslosigkeit und Altersarmut, klarmachen: dass angesichts der demografischen Entwicklung qualifizierte Einwanderung bei uns Arbeit schafft, sichert und künftige Renten ermöglicht. Und dass damit ein Recht auf Asyl nur sehr indirekt etwas zu tun hat – jedoch ein abendländisches, europäisches und nicht zuletzt christlich geprägtes Menschenrecht bedeutet. Von den deutschen Fußballweltmeistern und ihren migrantischen, islamischen Mitspielern als Vorbildern für die Integration ganz zu schweigen. Denkt man.

Aber dann reden, nicht nur zu Dreikönig, Politiker wie der weiß Gott gewiefte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. Der spricht in dieser Woche in einem umfänglichen „Welt“-Interview von der „erhöhten Gefährdungslage“ durch den „Zuzug von Menschen aus islamischen Ländern“. Im nächsten Satz erwähnt er, wie zum Beweis, die „nach Deutschland zurückkehrenden IS-Kämpfer“. Kein Wort indes, dass diese IS-Kämpfer, soweit bekannt, längst deutsche Staatsbürger sind. Oder noch ein Kubicki-Statement: „Wenn ich in einem Ort XY ein Flüchtlingsheim errichte, kann ich dort nicht gleichzeitig die Polizeistation schließen.“

Wo bitte liegt dieses „XY“? Es liegt im Biotop des Ressentiments. Es entspringt dem perfid-pauschal unterstellten Zusammenhang von Flucht, Asyl und Kriminalität. Genau so geht Verdummung und Verdunkelung. Sie gilt es auszuleuchten.

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