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Stephan Kohn im April 2018 vor dem Tagungsort des außerordentlichen Bundesparteitags der SPD

© Fabian Sommer/dpa

Exklusiv

Umstrittene Abrechnung mit Regierungspolitik: Innenministerium war vor "Corona-Rebell" in eigenen Reihen gewarnt

In Horst Seehofers Haus war das eigenmächtige Vorgehen eines Beamten mit Kritik an den Pandemie-Maßnahmen bekannt - aber es gelang nicht, es zu unterbinden

Das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) hätte die Veröffentlichung eines im Ministerium erstellten kritischen Papiers zur Corona-Politik der Regierung womöglich unterbinden können. Zumindest war das Ministerium gewarnt und schon länger darüber informiert, dass ein Mitarbeiter seine persönlichen Sichtweisen unbedingt zu Papier bringen wollte. Ihm war dies anschließend sogar ausdrücklich verboten worden. Er setzte sich darüber aber offenkundig hinweg.

Der Mann wurde als "Whistleblower" gefeiert

Das Papier unter dem Titel „Coronakrise 2020 aus Sicht des Schutzes Kritischer Infrastrukturen - Auswertung der bisherigen Bewältigungsstrategie und Handlungsempfehlungen“ erschien Anfang Mai bei einem rechtskonservativen Internetportal namens „Tichys Einblick“ und bezeichnete die Pandemie-Maßnahmen als „Fehlalarm“. Dazu berief es sich auf eine Reihe von Wissenschaftlern, die bei Youtube und anderen Netzmedien ohnehin für ihren regierungskritischen Standpunkt gefeiert wurden. Dem Beamten wurde daraufhin mitunter sogar die Rolle eines „Whistleblowers“ zugeschrieben, der auf einen Missstand hinweist.

Die Auswertung erschien mit amtlichem Briefkopf

Das Ministerium war von der Veröffentlichung überrascht, nicht aber vom Wirken seines Mitarbeiters aus dem Katastrophenschutz-Referat KM 4 . „Dass der Beamte an einer Auswertung gearbeitet hat, um seine persönliche Meinung zu verschriftlichen, war intern zuvor bekannt geworden“, bestätigte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Ihm sei „bereits Wochen vor der Veröffentlichung am 8. Mai die Erstellung des Berichts unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Referates KM 4 für den Gegenstand der Auswertung untersagt worden“.

Die näheren Umstände der Fortsetzung der Erstellung und schließlich der Veröffentlichung der Auswertung unter Verwendung des Ministeriums-Briefkopfs seien Gegenstand interner Verwaltungsermittlungen. Der Sprecher betonte, dass es sich bei dem Werk um eine „Privatmeinung“ handelt, die unautorisiert auf Papier des Ministeriums an die Öffentlichkeit gelangt sei.

Gegen Weisung verstoßen?

Vor diesem Hintergrund könnten den Beamten harte Disziplinarmaßnahmen erwarten, da er damit nach amtlicher Darstellung gegen eine ausdrückliche Weisung verstoßen haben könnte. Soweit bekannt, hatte er seine Recherchen nur an Behörden in Bund und Ländern zugeleitet.

Nun wird offenbar auch untersucht, ob er selbst es war, der das Dokument „Tichys Einblick“ oder anderen rechtslastigen Netzmedien zugespielt haben könnte, um die Opposition gegen die Pandemiepolitik zu befeuern. Wegen der laufenden Ermittlungen gab das Ministerium dazu noch keine Auskunft.

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