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Olaf Scholz (SPD) will, dass die "oberen zehn Prozent" weiterhin die Soli-Steuer bezahlen.

© Jörg Carstensen/dpa

Umstrittene Teil-Abschaffung: Scholz' Soli-Reform kann in Karlsruhe landen

90 Prozent sollen ihn nicht mehr zahlen, 6,5 Prozent nur noch zum Teil, der Rest voll. Die Soli-Pläne der Regierung sind umstritten, die FDP droht mit Klagen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wappnet sich mit einem besonders drastischen Beispiel für den Kampf um den Solidaritätszuschlag: Er will gegen den Widerstand von Teilen der Union und der FDP, dass die "oberen zehn Prozent" im Land weiter den "Soli" bezahlen. Sein Ministerium teilt in einer Beispielrechnung mit, bei einer Abschaffung für alle, käme der Chef eines DAX-Unternehmens mit einem Jahreseinkommen von 5,8 Millionen Euro auf eine Steuersenkung von mehr als 140.000 Euro im Jahr. Für den Vizekanzler eine „soziale Unwucht“. Die Union hätte gerne alle befreit, auch den Konzernchef – doch die SPD macht da nicht mit.

Nun liegt kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg der Referentenentwurf für die Reform des „Soli“ vor. Für 90 Prozent der bisherigen Zahler fiele er ab Januar 2021 weg, für weitere 6,5 Prozent zum Teil – durch eine Anhebung der Freigrenzen, bis zu denen der Zuschlag nicht zu zahlen ist - und Rabatte, wenn man nur etwas darüber liegt. Doch am Ende könnte das Vorhaben ein Fall für das Bundesverfassungsgericht werden.

Zum Inhalt: Nur wer mehr als 16.956 Euro (Single) oder mehr als 33.912 Euro (Familie) Einkommenssteuer im Jahr zahlen muss, soll auch nach 2021 weiter den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. Damit aber nicht schon ein leichtes Überschreiten dieser Grenze gleich zur Fälligkeit des kompletten „Soli“ führt, soll noch eine Gleitzone eingebaut werden. Dadurch soll er für rund 6,5 Prozent der verbleibenden Soli-Zahler ebenfalls abgesenkt werden, erst ab einem Einzeleinkommen von rund 110.000 Euro greifen die vollen 5,5 Prozent Zuschlag zur Körperschaft- oder Einkommensteuer.

Das bedeutet: Keinen „Soli“ sollen ab 2021 ledige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zahlen, die brutto bis zu 73.874 Euro verdienen – sie können dadurch bis zu 976 Euro im Jahr sparen. Oder ein Ehepaar, bestehend aus einer Krankenpflegerin mit einem Jahresbruttolohn von 40.800 Euro und einem Maurer mit einem Bruttolohn von 33 600 Euro, spart „Soli“-Kosten in Höhe von 565 Euro jährlich. Und eine Familie mit zwei Kindern müsste erst ab einem gemeinsamen Bruttojahreslohn von 221.375 Euro den vollen „Soli“ zahlen, bis 151.990 Euro fällt er ganz weg danach geht es in die „Gleitzone“ mit geringeren „Soli“-Zahlungen.

Der Solidaritätszuschlag wurde 1991 zunächst befristet eingeführt, um nach der Wiedervereinigung die Kosten der Deutschen Einheit zu bewältigen. Die Einnahmen fließen dem Bund zu und sind nicht zweckgebunden, also nicht ausschließlich für den "Aufbau Ost".

Ein Steuerbescheid mit dem Posten Solidaritätszuschlag.
Ein Steuerbescheid mit dem Posten Solidaritätszuschlag.

© picture alliance/dpa

Das Scholz-Ministerium betont: Eine komplette Abschaffung auch für die einkommensstärksten zehn Prozent würde zusätzlich zehn bis elf Milliarden Euro jährlich kosten "und lediglich die Nettoeinkommen von Spitzenverdienern weiter erhöhen". Insgesamt brachte der Zuschlag dem Staat 2018 laut Finanzministerium 18,9 Milliarden Euro ein. 2021 werden durch die Reform 9,8 Milliarden Euro an Einnahmen wegfallen– in den Folgejahren steigt die Summe auf knapp 10,9 Milliarden im Schnitt. Es wird die größte Steuerentlastung der großen Koalition – der Streit ist trotzdem schon programmiert.

"Ab 1. Januar 2020 ist die Erhebung des Soli verfassungswidrig, weil der Solidarpakt II ausläuft. Damit wäre auch die teilweise Erhebung dieser Sonderabgabe laut Grundgesetz nicht mehr zulässig", sagt der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr. "Besonders die mittelständischen Familienbetriebe, auf die wir gerade jetzt vor einem Konjunkturabschwung angewiesen sind, werden den Kürzeren ziehen, wenn der Soli nicht wegfällt." Die Pläne von Olaf Scholz würden deshalb vor allem Arbeitsplätze kosten. Die weitere Frage ist, ob es rechtlich zulässig ist, einen Teil ganz, einen anderen gar nicht zu entlasten.

Das verfassungsrechtliche Problem sieht auch der Chef-Haushälter der Unions-Fraktion, Eckhardt Rehberg. "Wir müssen aber schon jetzt aus verfassungsrechtlichen Gründen klären, wie wir für die verbliebenen zehn Prozent den Soli vollständig abbauen", betont er. "Ich schlage vor, den vollständigen Abbau schrittweise auf vier oder fünf Jahre zu strecken." Er will sich dafür in den Gesetzesberatungen einsetzen. Denn klar sei auch, man könne nicht sofort auf weitere zehn bis elf Milliarden Euro verzichten. "Dafür sind die anstehenden Aufgaben etwa im Klimaschutz, bei der Digitalisierung und bei der Sicherheit zu groß." Aber einen schrittweisen Abbau könne man schon schaffen.

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