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Das Milliardengrab Stuttgart 21 - so sahen die Demonstranten das Bauvorhaben. Der Aufsichtsrat entschied sich am Tiefbahnhof festzuhalten.

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Update

Umstrittenes Bahnprojekt: Bahn-Aufsichtsrat hält trotz Mehrkosten an Stuttgart 21 fest

Die Bahn kann das umstrittene Projekt Stuttgart 21 trotz der Kostenexplosion weiterbauen. Dafür erhielt der bundeseigene Konzern grünes Licht des Aufsichtsrats. Das neue Kostenlimit liegt bei 6,5 Milliarden Euro - 40 Prozent über dem bisherigen.

Die Deutsche Bahn will den Tiefbahnhof Stuttgart 21 trotz der befürchteten Mehrkosten bauen. Der Aufsichtsrat des Staatskonzerns genehmigte dem Vorstand am Dienstag in Berlin, bis zu 6,5 Milliarden Euro für das Projekt auszugeben. Das sind zwei Milliarden Euro mehr als bislang veranschlagt.

„Nach reiflicher Überlegung“ sei der Aufsichtsrat „zu der Entscheidung gekommen, das Projekt Stuttgart 21 fortzuführen“, erklärte der Aufsichtsrats-Vorsitzende Utz-Hellmuth Felcht. Der Vorstand des Unternehmens habe plausibel dargelegt und „in kritischen Diskussionen“ bestätigt, dass eine Fortführung des Bauprojektes für die Bahn wirtschaftlich vorteilhafter sei als ein Abbruch.

Die Sitzung dauerte wesentlich länger als sonst üblich, vor allem die Arbeitnehmer hatten viele Fragen an den Vorstand. Die Grünen kritisierten den Beschluss scharf. Ursprünglich hatte der Bau weitaus billiger werden sollen. „Das Projekt würden wir heute so nicht mehr beginnen“, gestand Bahn-Chef Rüdiger Grube ein. Internen Unterlagen zufolge ist ein Weiterbau nur um 77 Millionen Euro günstiger als ein Ausstieg.

In dem 20-köpfigen Kontrollgremium gab es Teilnehmern zufolge eine Gegenstimme und eine Enthaltung. Um die Zusatzkosten nicht allein schultern zu müssen, will die Bahn nun notfalls ihre Projektpartner verklagen. Neben dem Bund sind das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart die Mitfinanziers, sie tragen zusammen etwa 60 Prozent der bislang geplanten Kosten von 4,5 Milliarden Euro. Sie weigern sich aber, mehr als bisher zugesagt zu tragen.

Vorgesehen ist, den alten Stuttgarter Kopfbahnhof unter die Erde zu verlegen und ihn in eine Durchgangsstation umzuwandeln. Verbunden damit ist der Bau von nahezu 60 Kilometern Tunnel. Als Eröffnungstermin ist das Jahr 2021 geplant, die Bahn ziehe aber auch die Jahre 2022 oder 2024 in Betracht, sagte der zuständige Infrastrukturvorstand Volker Kefer nach der Sitzung des Aufsichtsrats. Um den Bau besser steuern zu können, soll er nun an eine Projektgesellschaft ausgelagert werden. Sie soll dem Aufsichtsrat zukünftig in jeder Sitzung Bericht erstatten.

„Wir hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagte Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und zugleich Vizechef des Aufsichtsrats. Der Bund müsse einen Beitrag zu den Mehrkosten leisten. Er ließ durchblicken, dass die Arbeitnehmer für einen Ausstieg votiert hätten, wenn das Land für diesen Fall auf Schadenersatz verzichtet hätte. „Die Eisenbahner werden den Bau von Stuttgart 21 nicht finanzieren“, befand er.

Anton Hofreiter (Grüne), der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, nannte den Beschluss des Aufsichtsrats einen „Skandal“. Stuttgart 21 sei nun „Merkels Bahnhof. Er steht für eine ideologische Politik, bei der Milliarden Euro an Steuergeld keine Rolle spielen“. Die Aufsichtsräte hätten dem Unternehmen „einen schweren wirtschaftlichen Schaden zugefügt“. Die Grünen wollen im Fall eines Siegs bei der Bundestagswahl prüfen, ob die Aufsichtsräte für die Entscheidung haftbar gemacht werden können. Der Bundesrechnungshof werde das Vorhaben in den kommenden Monaten erneut überprüfen, sagte Hofreiter.

Die Bahn hatte bereits Ende vergangenen Jahres dem Aufsichtsrat vorgeschlagen, das Projekt weiter zu bauen. Das Gremium lehnte damals eine Zustimmung jedoch ab und verlangte weitere Informationen vom Vorstand. Union und FDP hatten befürchtet, die Kostenexplosion des von den in Baden-Württemberg regierenden Grünen abgelehnten Bahnhofs würde ihnen im Bundestagswahlkampf schaden. Regierungskreisen zufolge hatte sich aber auch das Kanzleramt für eine schnelle Entscheidung vor der Bundestagswahl im Herbst ausgesprochen.

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