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Gesetz um Gesetz – wer hat da schon den vollen Überblick? Und der Teufel steckt im Detail. Minister schauen nicht so genau hin, Abgeordnete wohl.

© dapd

Umstrittenes Meldegesetz: Wenn der politische Instinkt abhanden kommt

Wer hat wann wie wo gedreht? Wer machte aus der Einwilligungslösung eine Widerspruchslösung? Die Veränderungen am Meldegesetz beschäftigen die Koalition.

Eines will man im Bundesinnenministerium (BMI) schon klarstellen: Das umstrittene Meldegesetz liege nicht in Trümmern. Nach dieser Woche kann man allerdings genau diesen Eindruck bekommen. Denn das, was da am 28. Juni vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung ohne Aussprache verabschiedet worden ist, fiel den Betroffenen in dieser Woche ordentlich auf die Füße. Aber auch das Innenministerium kommt nicht gut weg, musste Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) doch eine Volte hinlegen, nachdem er das Gesetz am Montag erst verteidigt hat, nach einer CSU-Vorstandssitzung Stunden später aber Veränderungen einfordern musste.

Von Chaos will man im Bundesinnenministerium aber nicht sprechen. Denn eigentlich sei doch alles ganz normal, heißt es dort. Man habe ein Gesetz eingebracht, es sei dann von den Fraktionen verändert worden und nun liege es beim Bundesrat. Doch dieser Prozess offenbart, wie es ist, wenn der politische Instinkt in einem Ministerium abhandenkommt – und wie erfolgreiche Lobbyarbeit ablaufen kann.

Im Bundeskabinett wurde am 31. August 2011 ein Regierungsentwurf für ein neues Meldegesetz verabschiedet. Dieser sah unter anderem die Einwilligungslösung vor. Will also jemand über eine einfache Melderegisterauskunft an Daten kommen, muss der Betreffende ausdrücklich nach seiner Einwilligung gefragt werden. Zwischen Oktober 2011 und Juni 2012 folgten die Beratungen zwischen den Berichterstattern der Fraktionen, dem Bundesinnenministerium und – zumindest gelegentlich – auch dem Bundesjustizministerium.

In den Gesprächen wurde schnell klar, dass die Regierungsfraktionen Änderungswünsche haben, erinnert man sich im Innenministerium. Vor allem die Einwilligungslösung war den schwarz-gelben Innenpolitikern ein Dorn im Auge. Sie wollten eine Widerspruchslösung, bei der Bürger selbst aktiv werden und Widerspruch gegen die Weitergabe der Daten anmelden müssen. Dass ausgerechnet die eigenen Innenpolitiker das Gesetz an einer zentralen Stelle verändern wollten, ließ keine Alarmglocken beim BMI schrillen. Begründung: Das seien Änderungswünsche des Parlaments, die politische Verantwortung dafür trügen die Fraktionen.

Und mehr noch: Da, wie es heißt, die Fraktionen nicht in der Lage seien, ihre Änderungswünsche auch in „Gesetzesdeutsch“ zu bringen, bietet das BMI als „Serviceleistung“ Formulierungshilfen an – selbst wenn man von dem, was man da formuliert, inhaltlich nicht überzeugt ist. Denn noch heute sagen sie im Innenministerium, dass die Einwilligungslösung ein höheres Datenschutzniveau habe und die bessere Variante sei. Doch wirklich gekämpft hat man dafür nicht. Anders das Justizministerium, das hat, auch nach Aussage des Innenministeriums, seine Bedenken geäußert. Aber die BMI-Beamten fühlten sich nicht befugt.

Bliebe immer noch der Minister selbst. Er ist schließlich nicht nur Chef im Ministerium, sondern auch Mitglied der Koalition, noch dazu Mitglied der CSU, und als solches sollte er auch einen engen Draht haben zum CSU-Innenexperten Hans-Peter Uhl, der die Veränderung federführend forciert haben soll. Nur ist fraglich, ob Friedrich überhaupt davon erfuhr, dass sein Entwurf so maßgeblich verändert wird. Laut Innenministerium war er an den Beratungsgesprächen nicht direkt beteiligt. Dafür aber sein Parlamentarischer Staatssekretär Ole Schröder. Ob er seinen Chef aber informiert hat, bleibt unklar. Auch andere Ministerien wie das Verbraucherschutzministerium – mit Ilse Aigner ebenfalls CSU-geführt – wurden nicht informiert.

Dem Ganzen liegt wohl eine politische Fehleinschätzung zugrunde. Denn im Ministerium hielt man die Veränderungen für nicht sonderlich gravierend. Schließlich gewährleiste ja auch die Widerspruchsregelung ein höheres Datenschutzniveau als der Status quo.

Aber wieso überhaupt diese Änderung? Auch da verweist man auf die Fraktionen, allerdings mit einem dezenten Hinweis: Der Druck der Werbewirtschaft auf die Bundesregierung sei „enorm hoch“ gewesen im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses. Bei Anhörungen hätten die Lobbyisten stark gegen die Einwilligungsvariante argumentiert. Das Innenministerium hielt dem stand und beließ es trotz der Proteste bei der ursprünglichen Lösung. Der Druck sei dann auf die Parlamentarier übergegangen. Und insbesondere die CSU-Innenexperten waren nicht so standhaft.

Die Lobbyisten hatten damit im Parlament mehr Erfolg als bei der Regierung. Offiziell will man davon aber nichts wissen. Die Städte und Gemeinden, die das Gesetz schließlich umsetzen müssen, hätten massiven Widerstand geleistet, heißt es bei den Innenexperten. Bei der Erarbeitung des Regierungsentwurfs habe man davon aber nichts gespürt, Protest von Städten und Gemeinden habe es nicht gegeben, so das Ministerium.

Nun bereitet man sich im Hause Friedrich wieder darauf vor, dass es Änderungen gibt – hin zum alten Entwurf.

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