zum Hauptinhalt

Politik: Umweg Europa

Die Unzufriedenheit mit Irlands Regierung könnte dem Votum über den Nizza-Vertrag schaden

Von Martin Alioth, Dublin

Drei Wochen vor Irlands Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Nizza ist deren Ausgang noch gänzlich in der Schwebe. Die erste nationale Meinungsumfrage vor der Abstimmung am 19. Oktober löste am Samstag erhebliche Nervosität bei den Befürwortern aus: 37 Prozent der im Auftrag der „Irish Times“ Befragten wollten die Vorlage unterstützen, 25 Prozent bekundeten Ablehnung, und immerhin 32 Prozent hatten sich noch immer keine Meinung gebildet. Die verbleibenden 7 Prozent wollen nicht zur Wahl gehen. Die Ratifikation des Nizza-Vertrages durch Irland ist die Voraussetzung für eine fristgerechte Aufnahme neuer EU-Mitglieder aus Mittel- und Osteuropa zum 1. Januar 2004.

Dabei hätte der Vertrag von Nizza, der im Juni 2001 bei geringer Wahlbeteiligung schon einmal knapp von den irischen Wahlberechtigten verworfen wurde, diesmal auf der sachlichen Ebene gute Chancen gehabt. Durch eine zusätzliche Erklärung der EU und einen neuen Paragrafen in der irischen Verfassung konnten die weit verbreiteten Bedenken über die Kompromittierung der irischen Neutralität weitgehend entkräftet werden. Zudem sind die großen Parteien diesmal energischer bei der Sache, während die Gegner des Vertrags von Nizza gespalten sind.

Doch Irlands Wähler sind zornig auf die Regierung und spielen offenbar mit dem Gedanken, das Referendum als Knüppel zu missbrauchen. Die amtierende Mitte-RechtsKoalition unter Führung von Bertie Ahern wurde vor fünf Monaten wiedergewählt. Im Wahlkampf hatte Ahern viel versprochen und beteuert, die Staatsfinanzen seien im Griff. Nach der Wahl waren jedoch andere Töne zu hören: Schon im Sommer verkündete die Regierung Sparmaßnahmen. Die Staatsausgaben waren aus dem Ruder gelaufen, die Steuereinnahmen lagen zudem weit unter den Erwartungen. Die Bevölkerung fühlte sich verschaukelt.

Am vergangenen Donnerstag wurde indes neue Kritik an der Regierung Ahern laut: Richter Fergus Flood veröffentliche einen Zwischenbericht seines Tribunals über dubiose Umzonungen und Grundstücksschacher am Nordrand Dublins. Er nahm kein Blatt vor den Mund: Aherns erster Außenminister, Ray Burke, der 1997 seinen Hut hatte nehmen müssen, sei korrupt. Dieses Wort war noch nie von amtlicher Seite verwendet worden, und sofort stellten Kritiker Aherns Urteilsfähigkeit in Frage. Die am Samstag veröffentlichte Meinungsumfrage war vor diesem Bericht erhoben worden. Trotzdem verzeichnete sie einen Rückgang der Zufriedenheit mit der Regierung seit der Wahl um volle 25 Prozentpunkte auf 36 Prozent. Man kann nur ahnen, in welche Richtung sich der Trend seither weiterbewegt hat.

Zu allem Überfluss trat am Freitag auch noch der hochbegabte Wahlkampfleiter von Aherns Fianna Fáil-Partei abrupt von seinem Amt zurück. P. J. Mara war von Richter Flood getadelt worden, weil er ein Bankkonto im Ausland verschwiegen hatte. Bertie Ahern, der bislang als Regierungschef bekannt war, an dem nie was hängen bleibt, hat nun drei Wochen Zeit, den europäischen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Dafür hat er sich bei seinen 14 Kollegen in Brüssel verbürgt.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false