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Umwelt: Baumfällung wird in Hamburg zum Politikum

In Hamburg harren Umweltaktivisten in luftiger Höhe aus – sie wollen Fällungen für eine geplante Fernwärmetrasse verhindern.

Seit mehreren Wochen trotzen im Hamburger Gählerpark Umweltaktivisten in luftiger Höhe den winterlichen Unannehmlichkeiten. Die Protestler haben sich in den Baumkronen verschanzt, um zu verhindern, dass diese Bäume gefällt werden, damit eine Vattenfall-Fernwärmeleitung verlegt werden kann.

Es war zuletzt ruhig geworden um den inzwischen weit fortgeschrittenen Bau des umstrittenen Kohlekraftwerkes Moorburg. Mit den Baumbesetzungen direkt an der 12,3 Kilometer langen Fernwärmetrasse bis zur Pumpstation Haferweg im Stadtteil Altona hat sich das geändert. Plötzlich ist Moorburg wieder zum Reizwort geworden. Neben der Stromproduktion soll das Kraftwerk ab 2012 auch per Kraft-Wärme-Kopplung für die Fernwärmeversorgung genutzt werden. Allein 180 000 Haushalte in Altona sollen so versorgt werden, um dann das über 40 Jahre alte Heizkraftwerk im benachbarten Wedel aufs Altenteil zu schicken, das emissionstechnisch überholt ist.

„Bis jetzt sind wir absolut im Zeitplan“, sagt ein Unternehmenssprecher von Vattenfall zu den bereits angelaufenen Baumaßnahmen der Fernwärmeleitung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte versucht, mit einer Eilklage gegen die Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde das im Zuge des Projekts geplante Abholzen von 359 Bäumen zu verhindern. Die städtischen Verantwortlichen hätten es versäumt, vor Genehmigung der Vattenfall-Baupläne eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht schmetterte aber die BUND-Klage ab. Eine UVP sei erst bei 2500 betroffenen Bäumen nötig, so die Juristen. Die Umweltschützer kündigten Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht an.

Am Tag der Bekanntgabe des Urteils des Verwaltungsgerichts wollte Vattenfall eine Informationsveranstaltung für Anwohner in Altona durchführen. Hamburgs Vattenfall-Chef Rainer Schubach sowie der Fernwärme-Projektleiter Dirk Lassen-Petersen waren bereit, Rede und Antwort zu stehen. Doch soweit kam es gar nicht, weil die Vertreter des Energieunternehmens niedergebrüllt wurden. „Das Klima im Stadtteil ist leider vergiftet“, stellte Pastor Friedrich Brandi- Hinnrichs von der Friedenskirche fest.

Die Umweltbehörde hat veranlasst, dass für jeden der zur Fällung anstehenden Bäume drei neue gepflanzt werden. Und es wurde genau darauf geachtet, dass Grundeigentümer, die erstmals im November 2009 von Vattenfall über den Trassenverlauf informiert wurden, diesem schriftlich zugestimmt haben. Auch die Genossenschaft der einst besetzten Hafenstraßen-Häuser hat nach Auskunft der Behörde ihr Okay gegeben. Der Energiekonzern hat der Umweltbehörde für den Eingriff in die Natur insgesamt 870 000 Euro gezahlt.

Trotzdem drohen nördlich der Elbe nun massive Proteste. Die Aktivisten im Gählerpark haben die zur Fällung vorgesehenen Bäume markiert und in vier Baumkronen Plattformen errichtet. Mehrere Baumbesetzer gehören der Umweltgruppe Robin Wood an, die schon gegen die Ausweitung von Braunkohlentagebauen in der Lausitz oder den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt am Main mit Kletteraktionen protestierte. Am bekanntesten unter ihnen ist Cecile Lecomte, französische Jugendmeisterin im Sportklettern, die auch regelmäßig Aktionen gegen die ins Wendland rollenden Castor-Transporte unterstützt. Die 28-Jährige, die wegen ihrer Gewandtheit im Freundeskreis „Eichhörnchen“ genannt wird, hat erst im vergangenen Monat Klage wegen Freiheitsberaubung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Sie war auf der Grundlage des niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes im November 2008 bei einem Castor-Transport nach Gorleben vier Tage lang in Unterbindungsgewahrsam genommen worden.

Die Stimmung bei Mitbesetzerin Aglaia Abel (26) ist auch nach mehrtägigem Dauerfrost gut. Anwohner, Freunde und Umweltgruppen versorgen die freiwilligen Baumbewohner mit Verpflegung, Bekleidung und Wärmflaschen. Mit einem Seilzug kann alles in die Höhe befördert werden. Noch ist es ruhig im Gählerpark. Ab 15. März sind wegen der beginnenden Vegetationsperiode jegliche Fällaktionen verboten, so dass Beobachter damit rechnen, dass Vattenfall in Kürze mit den Rodungsarbeiten beginnt. Ein Sprecher der Initiative „Moorburgtrasse stoppen“ kündigte für diesen Fall einen sogenannten „kraftvollen Tag X“ an und ergänzte: „Wir stellen uns auf eine lange Auseinandersetzung ein.“

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