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Schnee verdirbt den Solargenossen das Geschäft. Wenn Schnee auf den Solarmodulen liegt, wird kaum Strom produziert. Da hilft nur eines: Die Module müssen vom Schnee befreit werden.

© dpa

Energiewende: Die Solargenossen von Viernau

Ein Dorf in Thüringen produziert so viel Solarstrom, dass er für alle 800 Haushalte reicht. In Viernau freuen sich jetzt alle, wenn die Sonne scheint.  

Holger Kühhirt erinnert sich noch an den Tag im Herbst 2011, als er mit einem Kompass am Breiteberg war, wo jetzt tausende Solarmodule stehen. Damals war gerade die Idee geboren worden, einen zweiten Solarpark in Viernau zu errichten. Den Kompass hatte der 42-Jährige dabei, um die Himmelsrichtungen genau zu bestimmen. Wie alle, die aus Sonnenlicht Strom machen, interessierte ihn, wo Süden ist. Denn aus dem Süden kommt das Licht, jedenfalls das meiste.

Ein Jahr ist seitdem vergangen und nun ist der Solarpark Realität. Nicht jeder der 2000 Einwohner der Gemeinde Viernau in Thüringen glaubte zu Beginn an das Vorhaben. „Einige waren sehr argwöhnisch, andere abwartend. Größtenteils war die Resonanz aber positiv“, sagt Kühhirt, der im Ort eine Solarfirma betreibt. Mittlerweile ist er auch der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende der Energiegenossenschaft, die den Solarpark am Breiteberg gestemmt hat. Die 65 Genossenschafter sind Teil von etwas, was man die Energiewende von unten nennen kann. Ein Drittel der Mitglieder kommt direkt aus Viernau, ein Drittel aus dem benachbarten Haseltal um die Stadt Steinbach-Hallenberg und ein Drittel aus Rest-Thüringen. „Unser berühmtester Mann ist Biathlon-Weltmeister Arnd Peiffer“, sagt Viernaus Bürgermeister Manfred Hellmann (Linke), der den Aufsichtsrat der Genossenschaft leitet.

Schon mit 500 Euro konnte jeder mitmachen. Ein Deckel wurde bei 30 000 Euro eingezogen, mehr Anteile sollte ein Mitglied nicht zeichnen. Hellmann selbst, erzählt er freimütig, ist mit 8000 Euro dabei. Nur vier Mitglieder - eine Bank, ein regionaler Energieversorger, ein Verband und ein Privatmann - hätten die Obergrenze erreicht. Die meisten Anteile seien für unter 5000 Euro weggegangen.

„Ich bin auch mit einem kleinen Anteil vertreten“, sagt Heiderose Weisheit. Die Rentnerin wohnt direkt am Breiteberg. Wenn sie aus ihrem Haus tritt, kann sie auf dem Hügel die Solarmodule in der Sonne schimmern sehen. Warum sie mitgemacht hat? Na, ganz einfach: „Ich war mein ganzes Leben für den Fortschritt. Ich mische mich ein, wo ich denke, dass es dem Fortschritt dient.“ Das Öl, fügt sie hinzu, sei doch nicht unendlich. 

Mit der offiziellen Eröffnung des Solarparks Ende September ging ein „Rennen“ zu Ende, sagt Vorstand Kühhirt: „Es gab kaum Luft zum Atmen zwischendurch.“ Alle standen unter großem Druck, weil sie wegen der sinkenden Einspeisevergütung unbedingt bis zum 30. September fertig sein mussten. Das war der Stichtag, nach dem es nach den jüngsten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz für große Solarparks gar keine garantierte Einspeisevergütung mehr gibt. Die frühere Bauschuttdeponie am Breiteberg musste als Gewerbegebiet ausgewiesen werden, die Genossenschaft war zu gründen, Mitglieder wurden geworben.

„Sie müssen einfach loslaufen und dann sehen, wo die Steine sind“, bekamen die Macher auf einem Seminar gesagt. Sie erlebten „gravierende Probleme“ und „große Verunsicherung“, gibt Aufsichtsrat Hellmann zu. Weil die Genossenschaft bei Erdarbeiten zu voreilig war, fing sie sich kurzzeitig einen Baustopp ein. Zudem leistete ein Anwohner hartnäckig Widerstand gegen die Solaranlage direkt vor seinem Haus. „Hanebüchene Vorurteile“ habe es gegeben, sagt Hellmann.

Doch ins Stolpern kamen sie nicht. Der Termin Ende September wurde gehalten. Auch ein Testlauf war erfolgreich: Die 4100 Module produzierten den ersehnten Gleichstrom, der in einem Stahlcontainer mittels Wechselrichtern zu Wechselstrom umgewandelt wird. Zur Eröffnung lieferte der ungefähr drei Fußballfelder große Solarpark keinen Strom, weil das letzte Okay des Netzbetreibers fehlte. Aber lange werde es nicht mehr dauern, sagte Vorstand Kühhirt kurz vor der Feier.

Theoretisch wird dann so viel Solarstrom in Viernau produziert, dass nach Angaben von Bürgermeister Hellmann alle 800 Haushalte versorgt werden könnten. In der Praxis freilich wird der grüne Strom - wie es der Regelfall ist - ins Stromnetz eingespeist. Am Netz hängen schon zahlreiche Anlagen auf den Hausdächern der Gemeinde. Und am anderen Ende des Ortes verrichtet ein weiterer Solarpark sein sauberes und lautloses Geschäft.

Thüringen hatte der Gemeinde verboten, den Solarpark selbst zu betreiben

So gut der für die Ökobilanz ist, so sehr ärgert sich Hellmann noch immer darüber, dass die Thüringer Behörden der Gemeinde untersagt hatten, den Solarpark selbst zu betreiben. Deshalb werden die Steuern in Schleswig-Holstein am Sitz des Investors gezahlt. Vor einiger Zeit immerhin gestand das Thüringer Innenministerium offiziell ein, dass die Gemeinde Sonnenstrom-Produzent hätte werden dürfen.

Die neue Genossenschaft zahlt ihre Steuern in Viernau. Zusammen mit der Pacht für die Fläche könnten in den kommenden 20 Jahren rund 150 000 Euro in die Gemeindekasse fließen, sagt Hellmann. Auch die Genossenschaft hofft auf eine angemessene Rendite: Wer beispielsweise Anteile für 1000 Euro erworben hat, soll 60 bis 80 Euro Ertrag pro Jahr erzielen.

So rechnet sich die Energiewende für alle - abgesehen von der nörgelnden FDP. Bundestags-Fraktionschef Rainer Brüderle verdammte die Förderung der Solarindustrie immer wieder als „Öko-Snobismus“. Das findet nicht nur Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) daneben; auch im fernen Viernau schütteln die Solargenossen den Kopf. Allein dürften sie damit nicht sein.

Mehr als 30 Energiegenossenschaften gibt es nach Angaben von Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) bereits im Freistaat Thüringen, bundesweit seien es um die 600. Die in Viernau sei nach seinem Wissen, so Vorstand Kühhirt, die größte in Thüringen - gemessen an der Zahl der Mitglieder und am Umfang der Anlage. Die Erfahrungen, die man mit dem 1,4 Millionen Euro schweren Projekt gemacht hat, will man jetzt gerne mit anderen Interessierten teilen.

Kühhirt ist überzeugt, dass sich das Geschäft mit dem Sonnenstrom noch immer rechnet. Zwar sinke die staatlich garantierte Vergütung weiter, zugleich fielen aber die Anlagenpreise. Wem das zu unsicher sei, der könne seine Energiegenossenschaft auch mit einer Biogasanlage aufziehen, einem Windrad oder einem Blockheizkraftwerk.

Auch in Viernau haben sie schon neue Ideen. Um die Betriebe des Ortes mit ihren 500 Arbeitsplätzen ebenfalls mit grünem Strom versorgen zu können, sei ein Windrad nötig, sagt Bürgermeister und Aufsichtsratschef Hellmann. „Ein Dorf, ein Kirchturm, ein Windgenerator“ - so stellt er sich die Energiewende vor.

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