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Umweltgesetzbuch: Schreie gegen das Schweigen

Die offizielle Linie der Union beim Umweltgesetzbuch lautet: Schuld ist Minister Sigmar Gabriel – in der CDU sehen das viele aber ganz anders.

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Berlin - Günther Oettinger ist der Kragen geplatzt. Das könne ja wohl nicht sein, fauchte der baden-württembergische Ministerpräsident vor dem versammelten CDU-Präsidium, dass eine einzige Landesregierung ein „Vetorecht“ für sich in Anspruch nehmen könne! Wenn ein Projekt wie das Umweltgesetzbuch (UGB) im Koalitionsausschuss scheitern würde – nun gut. Wenn es im Bundesrat zu Fall gebracht würde – in Ordnung. Aber dass Bayern das Projekt im Alleingang kippe, bevor es überhaupt eine Chance bekomme, in den Bundesrat zu gelangen – nein!

Oettingers Ausbruch, nicht laut, aber schneidend vorgetragen, ist für die CDU und ihre Kanzlerin höchst peinlich. Angela Merkel ist denn vorsichtshalber auch gar nicht darauf eingegangen. Die klare Schuldzuweisung des Baden-Württembergers steht in krassem Widerspruch zur amtlich-christdemokratischen Linie, nach der nicht Horst Seehofer (CSU) und sein Umweltminister Markus Söder die Verantwortung für das unrühmliche Ende eines Koalitionsprojekts tragen, sondern der SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla tut denn auch nach der Sitzung so, als habe Oettingers Intervention gar nicht stattgefunden. Ungerührt trägt er die Sprachregelung vor, der man das Zusammengeschusterte förmlich ansieht: Gabriel habe Ende vergangener Woche Öffnungsklauseln für die Länder angeboten, diese aber am Wochenende zurückgezogen – daran sei die Sache gescheitert.

Horst Seehofer nimmt den Ball später auf. Gabriel sei offenbar „nicht in der Lage, den von ihm selbst gemachten Vorschlag in seiner eigenen Partei durchzusetzen“, sagte er nach einer Vorstandssitzung in München. „Er hat von sich aus diesen Vorschlag gemacht. Dass ein Minister seine eigenen Vorschläge als Unfug einstuft, dürfte eine Neuerung sein“, sagte Seehofer. Jetzt sei Gabriel „mit seiner Umweltpolitik in Gänze gescheitert“.

Merkel in ihrer Eigenschaft als Kanzlerin war dagegen erkennbar bemüht, den Eklat herunterzuspielen: Die Regierungschefin habe die Entscheidung Gabriels „zur Kenntnis genommen“, das Umweltgesetzbuch für gescheitert zu erklären, formulierte Vizeregierungssprecher Tho mas Steg; sie unterstütze nun das Vorgehen, einzelne Teile des Gesetzeswerks ins Kabinett zu bringen. Allerdings fügte Steg hinzu, Merkel akzeptiere Gabriels Zuständigkeit für das Thema „uneingeschränkt“. Wohl in der Hoffnung, dass der Makel an ihm hängen bleibe. Die CDU und ihre Chefin, analysiert ein Präsidiumsmitglied derlei Leisetreterei, hätten das Thema schlicht „verpennt“. Gabriel habe dadurch die Chance erhalten, an Merkels Lack als Umweltkanzlerin zu kratzen.

Gabriel war am Montag sichtlich sauer. Zur Forderung Bayerns, es den Ländern freizustellen, ob sie nach der neuen „integrierten Vorhabengenehmigung“, die das Umweltgesetzbuch (UGB) möglich gemacht hätte, oder nach den bisherigen Regeln umweltrechtliche Genehmigungen erteilen, sagte er: „Ich kann nicht groben Unfug ins Kabinett einbringen.“ Er bezeichnete den Vorgang als „Missbrauch des Föderalismus“.

Nicht nur die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner bedauert das Scheitern. Sie wies in der „Frankfurter Rundschau“ darauf hin, dass 15 Umweltminister in der Sache einig gewesen seien. Der Chef der Umweltministerkonferenz, Stefan Mörsdorf (CDU) aus dem Saarland, will das UGB noch nicht ganz zu den Akten legen. Er sagte am Montag: „Das Gesetz wird die geltende Rechtslage nicht einschneidend verändern. Aber es wird wesentlich zur Vereinfachung beitragen. Dieses Vorhaben sollte nicht an politischen Eitelkeiten scheitern.“ Wo allerdings eine Kompromisslinie liegen könnte, dazu hatte auch Mörsdorf keinen Vorschlag zu machen.

Ob das Naturschutzgesetz und das Wassergesetz, die am Dienstag in die Ressortabstimmung gehen, noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können, ist ziemlich unklar. Sie sind zwar inhaltlich nicht umstritten. Doch wenn es Bayern darum gegangen wäre, die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder zu verteidigen, dürften auch die Einzelgesetze verschleppt werden. Am Montag behauptete der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), Gabriel sei „zu weit gegangen“, er habe die Rechte der Länder beschränken wollen. Gabriel kommentierte das mit der Bemerkung: „Der steigt ja immer ein, wenn es zu spät ist.“

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