zum Hauptinhalt

Politik: „Umweltpolitik ist kein Luxus“

Grünen-Fraktionschefin Sager setzt auf den Erfolg alternativer Energien und rügt Clements Konfrontationskurs

Zeigt der vergangene Woche ausgetragene Konflikt um den Emissionshandel nicht, wie schwer es für die Grünen ist, sich in Zeiten der Wirtschaftskrise mit ökologischen Themen durchzusetzen?

Der Konflikt hat vor allem gezeigt, wie wichtig die Grünen als ökologische Partei nach wie vor sind. Immer wieder versuchen Ideologen, den Leuten vorzuspiegeln, Umweltpolitik sei ein Luxus, den wir uns aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr leisten könnten. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Umweltkrisen, von denen wir heute eingeholt werden, bedrohen unseren Wohlstand. Im Jahr 2002 hatten klimabedingte Schäden schon ein Volumen von 53 Milliarden Dollar.

Wünschen Sie sich nicht ein anderes öffentliches Klima, in dem Ihre ökologische Argumentation freundlicher aufgenommen wird?

Wir haben da weniger Probleme, als Sie vermuten. Unsere ökologischen Argumente werden von einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt. In allen Umfragen zeigt sich, dass die Menschen das Klimaschutzziel wichtig finden, dass sie stärker auf Ressourcen-Einsparung setzen und die Abhängigkeit vom Erdöl verringern wollen.

Aber doch nur, solange diese Ziele keine Arbeitsplätze gefährden …

Klimaschutz geht doch nicht gegen Arbeitsplätze. Wir sind inzwischen so weit, dass mehr Wachstum nicht mehr Ressourcenverbrauch bedeuten muss. Mehr Ökologie kann auch mehr Wachstum bedeuten durch mehr Innovation und mehr Arbeitsplätze in strukturschwachen Bereichen, zum Beispiel durch erneuerbare Energien.

Ist es nicht ein Problem, dass die Menschen fürchten, dass alte Arbeitsplätze sofort abgebaut werden, während die ökologischen Versprechungen sich erst in Zukunft einlösen?

Wir haben doch schon Arbeitsplätze durch ökologische Innovation geschaffen – und genau die sind nun durch leichtfertiges Gerede über angeblich wirtschaftsfeindlichen Umweltschutz bedroht. Es gibt jetzt eine Perspektive in Ost- und Norddeutschland für kleine Städte wie Husum oder Brunsbüttel, die von der Offshore-Windtechnik profitieren könnten. Es gibt mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nun die Chance, im ländlichen Raum mit Biomasse Geld zu verdienen. Diese strukturschwachen Regionen können nicht nur davon leben, dass reiche Großstädter dort ihre Reitpferde spazieren führen. Diese Perspektiven durch Innovationen in der Energietechnik auch für den Export sollte man nicht kaputtreden.

Wird diese Perspektive auch durch Bundesminister kaputtgeredet?

Im Streit der Branchen darum, wer die meisten Zertifikate kriegt, hat der Wirtschaftsminister für Nordrhein-Westfalen und gegen die ostdeutschen Interessen gekämpft. Man kann ja noch Verständnis für seinen regionalen Patriotismus haben. Wirklich problematisch war aber die Art und Weise, wie er versucht hat, in diesem Koalitionsstreit Verbündete von außerhalb zu finden und die Auseinandersetzung gegen den Klimaschutz zu popularisieren. Ich bin nur froh, dass nicht nur die Grünen, sondern auch viele Sozialdemokraten sich daran störten.

Ihren Gegnern werfen Sie vor, Sie verharrten in Denkmustern der 70er Jahre. Ist denn Ihre ökologische Argumentation schon genug reformiert für das Jahr 2004 mit seinen schwierigen Rahmenbedingungen?

Angesichts der globalen ökologischen Probleme, die auf uns zukommen, ist es auch eine Verantwortung der Industriestaaten, eine Entwicklungslinie aufzuzeigen, wie Wohlstand und Umweltschutz zusammengehen. Bei den Arbeitskosten wird unser Land nie mit Indien oder China konkurrieren können. Wir müssen schon vorangehen bei der Entwicklung neuer Technologien und Verfahren, die Antworten auf die großen globalen Herausforderungen geben.

Auch in der Zuwanderungsfrage hat sich das öffentliche Meinungsklima unter der terroristischen Herausforderung gedreht. Sehen Sie genug Unterstützung für den Wunsch nach mehr Öffnung?

Wir haben ein Sicherheitsinteresse, wir müssen Dinge verbessern wie zum Beispiel die Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizei auf europäischer Ebene. Aber deshalb können wir doch nicht unsere Zukunft in einer globalen Gesellschaft verspielen. Ein Land wie die USA holt die besten Wissenschaftler aus aller Welt und fördert damit die eigene Wachstumsstrategie. Wir haben keine Zukunft, wenn wir die Schotten dicht machen.

Zum Klima in der Koalition: Sind die Grünen durch die Schwäche der SPD nicht daran gehindert, ihr Konfliktpotenzial auszuspielen?

Die Schwäche der SPD ist kein Argument dafür, dass man sich in Sachfragen kleiner macht, als man ist. Wir möchten natürlich möglichst viele Konflikte zu einem konstruktiven Ergebnis führen. Gerade Wolfgang Clement hätte in Nordrhein-Westfalen lernen können, dass es gar nichts nützt, in einer Koalition im Streitfall auf Krawall zu setzen. Die Politik der Brüskierung der Grünen hat der SPD schon zu seiner Regierungszeit in Düsseldorf nicht genützt. Die Menschen lassen sich nur überzeugen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Regierung als Ganzes auf dem richtigen Wege ist.

Die Fragen stellte Hans Monath.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false