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Umweltschutz: Das Geschäft mit dem C02-Gewissen

Hemmungslos Autofahren, in die Karibik fliegen und trotzdem die Umwelt schonen, geht das? Immer mehr Anbieter versprechen, gegen Geld den CO2-Ausstoß neutralisieren zu können. Moderner Ablasshandel oder ein echter Beitrag zum Umweltschutz?

195 kg CO2 verbraucht ein PC im Jahr. Eine Viertel Tonne CO2-Einsparung kostet 34,90 Euro beim Berliner Anbieter The Climate Company. Dafür gibt es eine Urkunde, die sich der Umweltfreund an die Wand hängen kann. Etwas weniger, nämlich 152 kg C02, verursacht ein Hin- und Rückflug von Berlin nach Frankfurt am Main. Mit dem schädlichen Gas könnte man einen Würfel mit einer Kantenlänge von sieben Metern füllen. Fünf Euro verlangt Greenmiles für die CO2-Neutralisierung.

Auch schick: eine Klimaplakette für das Auto. Wen das schlechte Gewissen plagt, weil er immer noch mit dem Auto zur Arbeit fährt statt mit den Öffentlichen, kann für 51 Euro an der Windschutzscheibe dokumentieren, dass er die nächsten 10.000 Kilometer CO2-neutral unterwegs ist. Das ideale Weihnachtsgeschenk für Umweltbewusste, die aufs Auto nicht verzichten wollen?

Der klimaneutrale Blumenstrauß

Der Emissionshandel blüht im Kleinen. Die Deutsche Post transportiert Päckchen und Briefe auf Wunsch und gegen Aufpreis klimaneutral. Selbst der Billigflieger Easyjet bietet den Kunden für ein paar Euro mehr scheinbar unschädliche Flüge an. Es gibt klimaneutrale Blumen, Brötchen und Mietwagen. Auch die Weltbank macht ihre Geschäfte klimaneutral und selbst der Katholikentag lässt sich nicht lumpen.

Das Prinzip ist immer das gleiche: Der CO2-Verbrauch eines Produktes oder einer Dienstleistung soll gegen einen Obulus an einer anderen Stelle, an einem anderen Ort, wieder eingespart. Die meisten Anbieter investieren in Projekte in Entwicklungsländern, beispielsweise ein Wasserkraftprojekt in Indonesien oder ein Biomasse-Kraftwerk in Indien. Dort wird langfristig CO2 eingespart. Manche Anbieter pflanzen auch einfach ein paar Bäume.

Vermeiden, vermindern, kompensieren

Umweltschützer sehen den Zertifikate-Boom mit gemischten Gefühlen. "Wer sich einen riesigen Geländewagen mit 20 Litern Spritverbrauch kauft und damit jeden Tag zum Bäcker um die Ecke fährt, ist ein Klimasünder - egal wie viel er dafür als Ausgleich zahlt", sagt Greenpeace-Sprecher Karsten Smid. Dennoch hält er den Zertifikatekauf für gar nicht so verkehrt. "Vermeiden, vermindern, kompensieren - in dieser Reihenfolge." So viel CO2-Ausstoß wie möglich vermeiden, den unvermeidlichen Ausstoß verringern und wenn es geht, durch Zertifkate kompensieren. Greenpeace selbst nutzt die Dienste von Atmosfair für unvermeidbare Flüge seiner Mitarbeiter. Diese dürfen allerdings bei Dienstreisen erst ab einer Entfernung von 800 Kilometern fliegen.

Ein Langstreckenflug ist nicht umweltfreundlich

Auch Matthias Seiche vom BUND betont, dass es vor allem darum geht, umweltschädliches Verhalten zu vermeiden. Er vermutet, dass so mancher Anbieter vor allem viel Geld mit dem schlechten Gewissen machen möchte. "Schnelle Werbe-Aktionen ändern nichts an der Klimaschädlichkeit der Produkte. Ein Langstreckenflug ist nicht umweltfreundlich und er wird es auch durch den Kauf eines Zertifikats nicht."

Gerade beim Fliegen lassen sich die Umweltschäden eben nicht neutralisieren, wie viele Anbieter vorgaukeln. Denn außer CO2 entstehen beim Fliegen noch viel mehr schädliche Treibhausgase, die durch die große Flughöhe direkt vor Ort in die Atmosphäre geblasen werden. Auch die Kondensstreifen aus Wasserdampf sind ein echtes Klimaproblem. Seriöse Anbieter rechnen diese Faktoren in die CO2-Rechnung mit ein.

Lufthansa und Easyjet dagegen legen bei ihren Angeboten nur die reine CO2-Bilanz zu Grunde. Ein Flug von Frankfurt am Main nach Teneriffa schlägt bei der Lufthansa mit 663 kg CO2 zu Buche. Macht 13 Euro. Auf der Website von Myclimate.de, die mit Lufthansa kooperiert, wird für die gleiche Strecke 1497 kg CO2 berechnet. Das kostet dann rund 36 Euro.

Gütesiegel für Projekte

Beide Umweltschützer raten, bei den geförderten Projekten genau hinzuschauen. Wichtig ist, dass das Projekt langfristig angelegt, transparent nachvollziehbar und möglichst durch Gütesiegel zertifiziert ist. Neben der Klimarelevanz ist zu beachten, dass die lokale Bevölkerung miteinbezogen wird - etwa durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Technologie- und Wissenstransfers. Reine Aufforstungsaktionen bringen dagegen wenig und sind schlecht zu kontrollieren. Außerdem sollten möglichst wenig Verwaltungskosten anfallen.

Matthias Seiche findet es vor allem wichtig, dass die Unternehmen insgesamt versuchen, die Produktion klimafreundlicher zu machen. Das "Go-Green"-Projekt mit den klimafreundlichen Päckchen der Deutschen Post gefällt ihm deshalb gut, weil ein Teil des Aufpreises in die Verbesserung des Fuhrparks fließt.

Bei korrekten Projekten spricht nach Seiches Meinung auch nichts dagegen, ein Klimazertifikat zu Weihnachten zu verschenken. Das Fest der Liebe verursacht übrigens im Durchschnitt 250 kg CO2. Das kostet 19,80 Euro bei Greenmiles und einen Filzanhänger gibt es gratis dazu.

Links:

http://www.atmosfair.de

http://www.myclimate.de

http://www.greenmiles.de

http://www.climate-company.de

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