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Ohne Bienen keine Früchte - aber das ist nicht er einzige Grund, warum wir sie brauchen.

© Stephanie Pilick, dpa

Umweltschutz: Das Thema Biene sticht

Dass Angela Merkel nun den Schutz der Bienen fordert, ist kein Überbleibsel ihrer Zeit als Umweltministerin, sondern zeigt ihr Gespür für Timing. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Oft spät, aber selten zu spät, identifiziert die Bundeskanzlerin die Gewinnerthemen. Das neueste ist die Biene – beziehungsweise der Schutz ihrer Art. Kein Wort darüber im jüngsten Wahlprogramm der Unionsparteien. Diese Woche aber adelte Angela Merkel das Insekt zum Abschluss ihrer Rede zum Haushalt im Bundestag: „Bienen stehen pars pro toto für das, was wir unter Artenvielfalt verstehen“, sagte sie. Diese sei vielerorts bedroht. Daher sollten alle den Weltbienentag am Sonntag nutzen, um wirklich an die Artenvielfalt zu denken und etwas für die Bienen zu tun.

Wer glaubt, der Appell war nur Ausdruck einer Schrulle einer Politikerin, die vor 20 Jahren mal das Bundesumweltministerium geleitet hat, hat Merkel wohl wieder unterschätzt, ihr Gespür fürs Timing und den Zeitgeist. Die Biene ist mittlerweile zu einer irrational positiv besetzten Identifikationsfigur geworden: Sie vereint Stadt- und Landbevölkerung, Rechte und Linke mit den Grünen. Die einen wollen mit ihrem Schutz die Schöpfung bewahren, die anderen die Natur und die Umwelt – und meinen dasselbe.

Geprägt von der Biene "Maja"

Das Thema Biene sticht. Da können noch hundert Experten erklären, dass eine Hummel viel mehr für die Bestäubung und damit für den Obstanbau leistet. Da kann ein Herr Peter Rosenkranz, immerhin Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, sich gern zitieren lassen mit dem Satz: „Die Honigbiene wird das letzte Insekt sein, das ausstirbt.“ Sie sei nicht bedroht, „solange es Imker gibt“. All das wird nicht mehr gehört in diesem Land. Und das liegt nicht nur daran, dass Generationen geprägt sind von der 1976 erstmals ausgestrahlten TV-Serie „Biene Maja“ mit dem gleichnamigen Ohrwurm als Titelmelodie. Grund sind auch zahllose Kampagnen der Umweltverbände.

In FDP-Kreisen hatte man sich nach dem Abbruch der Jamaika-Koalitionsverhandlungen noch lustig gemacht über die Grünen. Die hätten viel Energie auf Verbote von Herbiziden und Pestiziden verschwendet, nur um Bienen zu schützen statt sich auf die wirklich wichtigen Themen zu konzentrieren. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt musste Spott ertragen, nachdem sie auf einem Parteitag ins Mikro gerufen hatte: „Wir wollen, dass in diesen vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen.“

Systemrelevante Insekten

Das klang wirklich drollig. Heute sind die Grünen bekanntlich nicht Teil der Regierung. Und man stellt fest: Die Biene lebt auch ohne die Partei. Am Donnerstag wies das Gericht der EU in Luxemburg eine Klage zweier Chemiekonzerne ab. Sie wollten Beschränkungen für drei für Bienen möglicherweise gefährliche Insektizide, die sogenannten Neonikotinoide, aufgehoben haben. Am gleichen Tag bedankte sich Julia Klöckner, Merkels aufstrebende Parteifreundin aus Rheinland-Pfalz und neue Landwirtschaftsministerin, ernsthaft „im Namen der Bienen“ bei allen Kooperationspartnern, die die Neuauflage der Regierungskampagne „Bienen füttern“ unterstützen. „Bienen sind systemrelevant – für die Landwirtschaft ebenso wie für unser gesamtes Ökosystem“, lautet einer von Klöckners neuen Lieblingssätzen.

Mit Themen rund um den Schutz von Umwelt und Natur und dem Erhalt der Artenvielfalt konnte man über Jahrzehnte nur Milieus am Rande begeistern. Heute sind sie Mainstream. Politiker, die sich beharrlich auf den vermeintlichen Gegensatz von Wirtschaft gegen Umwelt konzentrieren, sterben aus wie die Dinosaurier. Und aus Brüssel, wo sich die Industrielobbyisten gegenseitig auf den Füßen stehen wie in vielleicht keiner zweiten Stadt, kommt mittlerweile enorm viel Öko-Druck – nun auch in Form einer Klage gegen die Bundesrepublik, weil die Regierungen in Bund und Ländern nicht genug für saubere Luft tun.

„In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit“ wäre so ein Vorgang eine Sensation. Heute überrascht das kaum noch – der Biene sei Dank.

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