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Deutschland hält die Ziele zur Verminderung der Emission von Stickoxiden nicht ein.

© epd

Umweltschutz: EU verklagt Deutschland wegen schlechter Luft

Umweltkommissar: Es gab genügend letzte Chancen. Gleichzeitig sollen die Kriterien für Messverfahren überprüft werden.

Wegen der schlechten Luftqualität in deutschen Innenstädten will die EU Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella machte deutlich, dass die Geduld der Kommission mit Deutschland und fünf weiteren Ländern zu Ende sei: „Die angeklagten Mitgliedstaaten haben in den zurückliegenden zehn Jahren genügend letzte Chancen erhalten, um die Situation zu verbessern.“

Konkret wirft die EU-Kommission Deutschland vor, zu wenig gegen die zu hohe Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid getan zu haben. Sie moniert in Deutschland eine Überschreitung der Grenzwerte in 26 Luftqualitätsgebieten. Darunter sind neben Berlin unter anderem die Städte Stuttgart, München, Hamburg und Köln. In etlichen deutschen Städten drohen Fahrverbote. Die im Jahr 2016 gemeldeten Jahreskonzentrationen beliefen sich in Stuttgart bis auf das Doppelte des Grenzwertes. Vor allem ältere Dieselfahrzeuge verursachen die hohen Stickstoffdioxid-Werte. Neben Deutschland sind Frankreich und Großbritannien ebenfalls wegen chronischer Übertretungen der Grenzwerte angeklagt. Italien, Ungarn und Rumänien sollen wegen Untätigkeit gegen die Feinstaubbelastung der Luft belangt werden.

Zum Rapport nach Brüssel

Die Kommission hatte wiederholt mit der Klage gegen Deutschland vor dem EuGH gedroht. Zuletzt hatte sie die damals geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zum Rapport nach Brüssel eingeladen und Maßnahmen verlangt, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte umgehend eingehalten werden. Während die Vorschläge Berlins und fünf anderer Staaten nicht überzeugten, ist Tschechien, der Slowakei und Spanien dies gelungen: Hier kam die Kommission zum Schluss, dass die angestoßenen Maßnahmen ausreichen, um die Grenzwerte einzuhalten. Vella unterstrich die Notwendigkeit zu handeln: „Jedes Jahr sterben 100.000 Menschen EU-weit vorzeitig an Krankheiten, die auf die Luftverschmutzung zurückzuführen sind.“

Das Verfahren vor dem EuGH kann Jahre dauern. Sollten die Richter Deutschland verurteilen, könnten Strafzahlungen fällig werden.

Zustimmung bekommt die Kommission für die Klage gegen Deutschland von Tiemo Wölken, dem Umweltexperten der SPD im Europaparlament: „Seit Jahren sind CSU-Verkehrsminister am Steuer, die das Problem der schlechten Luft kleingeredet oder ignoriert haben.“

Zweifel an den Messverfahren

Am gleichen Tag, an dem die Kommission die Klage gegen Deutschland vor dem EuGH beschließt, wurde auch bekannt, dass sie selbst Zweifel an den Messverfahren und der Auswahl der Messpunkte zur Überwachung der Luft hat. Sie hat daher nach Informationen des Tagesspiegels eine Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen dafür eingeleitet. Das geht aus der Antwort von Kommissar Vella auf eine Anfrage des Europaabgeordneten Norbert Lins (CDU) hervor. Darin heißt es wörtlich, die Kommission erkenne an, „dass diese Kriterien in einigen Fällen im Hinblick auf eindeutigere Messungen verbessert werden könnten“. Daher habe die Kommission eine „Eignungsprüfung“ der Luftqualitätsrichtlinien eingeleitet, die ihrer Gesamtleistung gelte. Diese Prüfung soll Ende 2019 abgeschlossen sein. Danach werde geprüft, „ob die Luftqualitätsrichtlinien einschließlich der Kriterien für die Standorte der Probenahmestellen ihren Zweck erfüllen“. Lins kritisiert dieses Vorgehen: „Die Entscheidung kommt überraschend“. Die Kommission zeige damit, „dass ihr die Schwachstellen der Regulierung bewusst sind“ – der Gang zum EuGH sei daher „voreilig“.

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