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Schornsteine von Industrieanlagen im Ruhrgebiet.

© dpa

Umweltverband: BUND wirft Bundesregierung "klimapolitisches Versagen auf ganzer Linie" vor

Deutschland dürfte die Klimaziele für 2020 drastisch verfehlen. Umweltverbände bescheinigen CDU und SPD miserable Klimaschutzbilanz.

Deutschland droht seine Klimaziele für 2020 drastisch zu verfehlen. Ohne zusätzliche Maßnahmen dürfte nach einer am Donnerstag veröffentlichten Studie von Agora Energiewende bis dahin lediglich eine Minderung des Treibhausgasausstoßes um 30 bis 31 Prozent erreicht werden. Die Bundesregierung war bislang von etwa minus 35 Prozent verglichen mit 1990 ausgegangen. Wiederholt zugesagt wurde eine Reduzierung um mindestens 40 Prozent.

Nach den Zahlen von Agora Energiewende dürfte Deutschland jedoch 2020 etwa 120 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausstoßen, wenn nicht noch zusätzlich gegengesteuert wird. Als Ursachen nennt der Klima-Thinktank das Ausmaß der Kohleverstromung, mehr Straßenverkehr, verglichen mit früheren Prognosen stärkeres wirtschaftliches Wachstum sowie einen Rückstand bei der energetischen Gebäudesanierung.

"Ein deutliches Verfehlen des 2020-Klimaschutzziels würde dem internationalen Ansehen Deutschlands erheblich schaden", warnen die Experten. Dies sei nicht nur schlecht für das Klima, sondern würde "auch die deutsche Vorreiterrolle international grundlegend in Frage stellen".

Die neue Bundesregierung werde daher "kurzfristig deutlich nachlegen müssen", fordern die Experten. Damit müsse sie bereits im ersten Halbjahr 2018 beginnen. De facto wurden die Emissionen der Studie zufolge in den vergangenen drei Jahren überhaupt nicht mehr reduziert, im Verkehr gibt es sogar verglichen mit 1990 einen Zuwachs.

"Es ist höchste Zeit zum Handeln"

Der Umweltverband BUND warf daher der Bundesregierung ein "klimapolitisches Versagen auf ganzer Linie" vor. Ursache sei deren "Angst vor der Kohle- und Auto-Lobby", kritisierte BUND-Klimaexpertin Tina Löffelsend. "Während Monsterstürme einen Vorgeschmack auf das drohende Klimachaos geben, versagt ausgerechnet das Energiewendeland Deutschland" bei der CO2-Minderung, kritisierte Karsten Smid von Greenpeace. Der Fachbereichsleiter Klima beim WWF Deutschland, Michael Schäfer forderte nach der Bundestagswahl ein Sofortprogramm, "in dessen Mittelpunkt die schnelle Abschaltung der Uralt-Kohlekraftwerke steht".

Die große Koalition habe die vergangenen Jahre "damit vergeudet, die erneuerbaren Energien auszubremsen" statt "den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohlekraft einzuleiten", warf der Klimaexperte der Organisation Oxfam, Jan Kowalzig, Union und SPD vor. "Es ist höchste Zeit zum Handeln", forderte Sabine Minninger von Brot für die Welt. Sie pochte ebenfalls auf einen raschen Kohleausstieg.

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir verwies auf die Forderung seiner Partei, nach der Wahl die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke umgehend vom Netz zu nehmen. Besonders im Verkehrsbereich hinterließen Union und SPD einen "klimapolitischen Totalschaden". Damit liefere Deutschland nicht das, was das Land im Pariser Klimaschutzabkommen versprochen habe.

"Die Klimaschutzpolitik der Bundeskanzlerin zerplatzt wie eine Seifenblase", erklärte auch die Linken-Umweltpolitikerin Eva Bulling-Schroeter. Allerdings stand die Linkspartei zuletzt selbst in der Kritik, weil einige brandenburgische Linken-Politiker mit Rücksicht auf die Braunkohle ein Absenken von Klimazielen mittragen wollen.

Auch der Bundesregierung war bisher schon bewusst, dass ohne erhebliche zusätzliche Anstrengungen die Ziele für 2020 verfehlt würden. Das Ausmaß der zu überbrückenden Lücke ist nun jedoch offensichtlich noch wesentlich größer als bislang angenommen.

Agora Energiewende versteht sich als unabhängige Denkfabrik, in der renommierte Wissenschaftler und Institute vorwiegend aus dem Bereich Energiepolitik mitarbeiten. Sie wird getragen von der Mercator Stiftung und der European Climate Foundation. (AFP)

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