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Politik: UN denken über neue Strategie für Kosovo nach

Annan trifft Außenminister der Kontaktgruppe / SPD-Politiker fordern Abkehr von bisheriger Politik

Dubrovnik/New York – UN-Generalsekretär Kofi Annan drängt offenbar auf eine schnelle Klärung der künftigen Kosovo-Strategie des Westens. Er hat für den heutigen Montag kurzfristig ein Treffen mit den Außenministern der Kosovo-Kontaktgruppe (Frankreich, Großbritannien, USA, Russland, Italien, Deutschland) anberaumt, um den Bericht des norwegisches Diplomaten Kai Eide zu beraten. Eide stellt darin die bisherige Strategie der UN für das Kosovo infrage, wonach die Umsetzung demokratischer und marktwirtschaftlicher Standards Vorrang vor der Frage des völkerrechtlichen Status des Kosovo hat.

Die Kritik an dem Konzept wird immer lauter: Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, sagte am Sonntag im Deutschlandfunk, es könne nicht sein, „dass man da über Jahrzehnte Soldaten stationiert und das Land (...) in einem Schwebezustand hält“. Verteidigungsminister Struck erklärte in der „Süddeutschen Zeitung“: „Ohne eine Lösung der Statusfrage und der Gewährleistung der wichtigsten rechtlichen Standards wird es dort keine Ruhe geben.“ Für einen Abschied von dem von Exkanzlerberater Michael Steiner während seiner Zeit als Chef der UN-Mission im Kosovo (Unmik) geprägten Ansatz, der eine Statusklärung des völkerrechtlich weiterhin zu Serbien-Montenegro gehörenden Protektorats vorerst ausschließt, sprachen sich am Wochenende auch führende SPD- Bundestagsabgeordnete aus. So forderte der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Gert Weisskirchen, „den Prozess zu parallelisieren“. Demnach könnten Statusverhandlungen zwischen der serbischen Regierung und der Führung in Pristina bereits nach den Kosovo-Parlamentswahlen Ende Oktober beginnen. Im Gegenzug für eine mögliche Unabhängigkeit des Kosovo könne Belgrad „ eine stärkere und schneller Integration in die Europäische Union“ angeboten werden, sagte Weisskirchen dem Tagesspiegel am Rande einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dubrovnik. Auch die SPD-Abgeordnete Uta Zapf bezeichnete es als „absolut unumgänglich, die Unabhängigkeitsfrage anzugehen“.

Mit ihrem Kurswechsel in der bislang strikt an „Standards vor Status“ orientierten Kosovo-Politik stellen sich die SPD-Abgeordneten gegen Außenminister Joschka Fischer, der noch vor zwei Wochen davor gewarnt hatte, die jetzige Strategie aufzugeben. „Von einem Konflikt in der Bundesregierung kann ich nichts erkennen", sagte jedoch SPD-Vizefraktionschef Gernot Erler. Doch auch Erler forderte die internationale Gemeinschaft auf, eine Lösung der Statusfrage mit der Klärung der Zukunft Serbien-Montenegros, Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas zu verbinden. „Das muss 2005 passieren.“ Er schloss auch die Neuziehung von Grenzen nicht aus.

Bei einem Besuch in Sarajevo sprach sich der Unionsfraktionsvize Wolfgang Schäuble für eine Lösung der Probleme im Kosovo aus, „die im Einvernehmen mit allen Parteien gefunden werden muss“. Zugleich bezweifelte er, dass eine Abkehr von der „Standards vor Status“-Strategie der richtige Ansatz für eine Klärung des Konflikts sei: „Zu glauben, dass bloß mit der Unabhängigkeit die Probleme gelöst werden, ist nach meiner Einschätzung ein großer Irrtum.“ Beim Besuch des UN-Beauftragen für den Kosovo, Sören Jessen-Petersen, und des Ministerpräsidenten des Kosovo Bajram Rexhepi zeichnete sich in der vergangenen Woche indes ab, dass die EU keine Abstriche im Bemühen um Standards machen will.

M. Bickel[M. B. Krause], M. Schulze Berndt

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