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Politik: UN-Flüchtlingskommissar kam mit Rücktritt Rauswurf zuvor

Der erzwungene Rücktritt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge trifft die Vereinten Nationen in schwerer Zeit. Auch andere Skandale beschädigen das Image.

Der erzwungene Rücktritt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge trifft die Vereinten Nationen in schwerer Zeit. Auch andere Skandale beschädigen das Image. Am Ende setzte UN-Generalsekretär Kofi Annan einem seiner prominentesten Mitarbeiter die Pistole auf die Brust: Entweder Ruud Lubbers, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, trete freiwillig ab, oder die Weltorganisation würde ihn vom Dienst suspendieren. Denn die Vorwürfe, der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR habe Mitarbeiterinnen sexuell belästigt, wogen schwer.

Der ehemalige niederländische Regierungschef Lubbers entschied sich für den Rückzug. Verbittert schrieb er am Sonntag seinen Demissions- Brief an Annan. Fünf Frauen hatten Lubbers unsittliche Annäherungen nachgesagt. Ein interner UN-Untersuchungsbericht erschien am Freitag im Londoner „Independent“ – danach soll Lubbers Verhalten nicht zweifelsfrei gewesen sein. Bis zuletzt aber beteuerte der 65-Jährige seine Unschuld. Er sei nur „freundlich zu Frauen“ gewesen. Annan reagierte kühl auf Lubbers Rückzug. Die Entscheidung sei „im besten Interesse des UNHCR“, ließ er wissen.

Der seit fast einem Jahr schwelende „Sex-Skandal“ trifft die Weltorganisation in einer brisanten Phase. Deshalb habe Annan in der Lubbers-Affäre reinen Tisch machen wollen. „Annan musste handeln, um gegenüber seinen Kritikern in den USA Führungsstärke zu demonstrieren“, meinte ein Funktionär.

Die Annan-Gegner in den USA fordern wegen möglicher Korruption im milliardenschweren Öl-für-Lebensmittel-Programm der UN im Irak den Rücktritt des UN-Chefs. Derzeit durchleuchtet ein unabhängiges Expertenteam das Projekt. Ihr vorläufiges Urteil fällt hart aus: Missmanagement, Verschwendung und Regelbrüche seien an der Tagesordnung gewesen. Die Vorhaltungen nahmen Annan sichtlich mit: „Ich bin geschockt.“

Doch für den Generalsekretär könnte es noch schlimmer kommen: Die Kommission will auch die mögliche Verwicklung seines Sohnes Kojo in den Öl-für-Lebensmittel-Filz dokumentieren. Auch sind Mitarbeiter einer weiteren UN-Agentur, der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), ins Fadenkreuz strafrechtlicher Ermittlungen geraten. Ein WMO-Angestellter hatte Millionen Dollar unterschlagen.

Zudem muss sich Annan noch mit einer weiteren unappetitlichen Affäre herumschlagen: Mitglieder der UN-Friedensmission in der Demokratischen Republik Kongo beuteten wehrlose weibliche Opfer sexuell aus. Umso härter trifft ihn jetzt die Lubbers-Affäre.

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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