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© Imago, promo; Montage: Schilling

UN-Generalversammlung: Auf Obama kommt es an

Nahost und Iran sind die großen Themen der UN diese Woche. Kanzlerin Merkel lässt sich wegen des Wahlkampffinales nur per Video zuschalten. Die Hauptrolle spielt ohnehin ein anderer: US-Präsident Obama. Was kann er bewegen?

Mitte September richten sich die Augen der Welt jedes Jahr auf New York. Zu Beginn der neuen Generalversammlung der Vereinten Nationen reisen Staats- und Regierungschefs aus aller Welt an. Deutschland wird 2009 wegen der Bundestagswahl nicht höchstrangig vertreten sein. Kanzlerin Angela Merkel lässt sich per Video zuschalten, Außenminister Frank-Walter Steinmeier schickt seinen Staatssekretär Reinhard Silberberg.

Was steht für Obama auf dem Spiel?

US-Präsident Barack Obama nutzt die erste neue UN-Generalversammlung in seiner Amtszeit für einen großen Auftritt: Drei Tage lang sind die Vereinten Nationen die Bühne für amerikanische Weltpolitik. Am Dienstag spricht er beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, gibt ein Mittagessen für afrikanische Staatsoberhäupter, moderiert das erste Treffen des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas mit Israels neuem Regierungschef Benjamin Netanjahu und trifft Chinas Präsident Hu. Am Mittwoch redet er zur Generalversammlung, führt Gespräche mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew und Japans neuem Premier Yukio Hatoyama und gibt abends mit seiner Frau Michelle einen Empfang für die Staats- und Regierungschefs. Am Donnerstag leitet Obama eine Konferenz zur Verhinderung der Ausbreitung von Atomwaffen. Nachmittags reist er zum G-20-Gipfel nach Pittsburgh.

Obamas Auftreten ist aus zwei Gründen ungewöhnlich. Für UN-Versammlung und G 20 nimmt er sich eine ganze Arbeitswoche Urlaub von der Innenpolitik, obwohl der Kampf um seine Reformagenda jetzt in eine entscheidende Phase tritt. Zweitens macht er die UN zu seiner Bühne und hebt sich damit von seinem Vorgänger George W. Bush ab, der seine Außenpolitik vorrangig unter Umgehung der Vereinten Nationen vorantrieb.

Doch gerade jetzt mehren sich in den USA die kritischen Stimmen zu Obamas außenpolitischem Ansatz. Die Amerikaner haben sich rasch daran gewöhnt, dass ihr Land unter dem neuen Präsidenten wieder viel beliebter in der Welt ist als in den Bush-Jahren. Nun fragen sie, was Amerika im Gegenzug gewinnt. Die „New York Times“ und die „Washington Post“ druckten am Sonntag kritische Analysen, dass sich Obamas Stil bisher nicht sichtbar ausgezahlt habe. Nordkorea und Iran treiben weiter ungehindert ihre Atom- und Raketenpolitik voran. Die Partner tragen wenig zur Truppenverstärkung in Afghanistan bei. Der Nahostfrieden macht kaum Fortschritte.

Was will Obama mit dem Treffen zwischen Abbas und Netanjahu erreichen?

Die Vermittlung des ersten direkten Treffens zwischen Abbas und Netanjahu seit dessen Wahl zu Israels Regierungschef im März ist für Obama ein Erfolg. Erst spricht er mit jedem der beiden getrennt, dann folgt das Dreiergespräch. Die Botschaft: Der Dialog kommt wieder in Gang, und die USA sind der entscheidende Vermittler. In der Substanz ist dagegen wenig zu erwarten. Abbas spricht nur für einen Teil der Palästinenser. Netanjahu hat sich bisher Obamas Forderung nach einem konsequenten Siedlungsstopp widersetzt.

Wie reagieren Israelis und Palästinenser auf Obamas Nahostpolitik?

Die Palästinenser hatten große Hoffnung in Obama gesetzt, weil er überzeugend für einen Neuanfang der Beziehungen zur arabischen Welt geworben hat. Um die Glaubwürdigkeit der USA in der Region und als Vermittler wiederherzustellen, hat Obama starken Druck auf Israel ausgeübt, seinen Verpflichtungen, insbesondere beim Siedlungsstopp, nachzukommen. Doch obwohl die US-Regierung ihre Forderung nach einem umfassenden Stopp der Bautätigkeit in den besetzten Gebieten und im palästinensischen Ost-Jerusalem in den vergangenen Monaten immer weiter heruntergeschraubt hatte, konnte der Nahost-Unterhändler George Mitchell keine Einigung mit Netanjahu erzielen. Die Palästinenserregierung ist nicht nur enttäuscht, sondern fast schon entsetzt darüber, dass die USA es auch unter Obama anscheinend nicht schaffen, internationale Forderungen gegenüber Israel durchzusetzen. Zwar nimmt auch Abbas an dem Dreiergipfel in den USA teil – weil man Obama nicht in den Rücken fallen will und auch verhindern muss, selbst den Schwarzen Peter zugespielt zu bekommen. Aber ein Sprecher der Autonomiebehörde machte am Sonntag klar, dass dies keine Wiederaufnahme der Verhandlungen bedeutet. „Die Straße ist jetzt blockiert“, sagte Abbas. Israel dagegen fordert die Palästinenser zu Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ auf. Eigentlich war der Dreiergipfel als Auftakt neuer Friedensgespräche gedacht, nachdem die USA Israel in der Siedlungsfrage zum Einlenken gebracht haben.

Auch um den Atomstreit mit dem Iran geht es. Welche Lösungen zeichnen sich ab?

Die Sitzung der Mitglieder des UN-Sicherheitsrats unter Leitung eines US-Präsidenten ist eine historische Premiere. Auch hier nutzt Obama die äußere Form, um Aufmerksamkeit für eine Priorität der US-Außenpolitik zu erzielen – nämlich Iran und Nordkorea am Bau von Atombomben sowie von Trägerraketen zu hindern. In der vergangenen Woche hat er die Pläne zur Raketenabwehr in Europa angepasst. Ziel ist vorerst nur die Verteidigung gegen Mittel- und Kurzstreckenraketen. Die Abwehr von Langstreckenraketen, die Iran heute noch nicht bauen kann, wird verschoben. Damit entfallen vorerst auch die unter Bush geplante Radarstation in Tschechien und die zehn Abfangraketen in Polen.

Wie verhält sich der Iran?

Der Iran hat den Stilwechsel im Weißen Haus zur Kenntnis genommen, bisher aber keine neue Bereitschaft signalisiert, über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Vor zehn Tagen veröffentlichte Teheran ein fünfseitiges Papier, das eindeutig als Angebot an die USA gerichtet ist, ein neues Kapitel in den Beziehungen aufzuschlagen. Darin zeigt sich Iran allgemein bereit zur internationalen Kooperation, um die Verbreitung von Nuklearwaffen und Nuklearmaterial zu verhindern. Am 1. Oktober werden die fünf Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrates, darunter auch die USA, sowie Deutschland zu Gesprächen mit Iran zusammentreffen. Dann wird sich möglicherweise entscheiden, ob die USA Gespräche mit Iran zu verschiedenen Themen aufnehmen wollen oder darauf beharren, nur über die Atomfrage zu diskutieren, Das lehnt Iran ab. Experten gehen davon aus, dass ohne eine Neudefinition des amerikanisch-iranischen Verhältnisses ein Einlenken Irans unwahrscheinlich ist.

Was ist von Obamas Klimapolitik zu erwarten?

Der von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon anberaumte Klimagipfel soll den Weg zur Einigung auf verbindliche Grenzwerte für Treibhausgase bei der Konferenz Mitte Dezember in Kopenhagen ebnen. Obama hat jedoch keinen Rückhalt im Kongress für eine signifikante Begrenzung der Emissionen in den USA. Ein Gesetzesentwurf, der weit hinter den europäischen Vorstellungen zurückbleibt, hat Ende Juni mit knapper Mehrheit das Abgeordnetenhaus passiert, gilt aber als derzeit chancenlos im Senat. US-Medien stellen ihr Land nicht als Haupthindernis dar. Sie verweisen auf Indien und China. Ein Ausweg: Obama spricht über langfristige Klimaziele für 2050 statt mittelfristige (2020) und lässt das Bezugsjahr für die Reduktionen im Unklaren. 17 Prozent Reduzierung gegenüber den Emissionen 2005, wie im US-Gesetzesentwurf, sind eine viel geringere Größenordnung als die von Europa angestrebten 20 Prozent gegenüber 1990.

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