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UN-Klimakonferenz: Bis zur Erschöpfung zum Kompromiss

Es ist eine Einigung, die gegensätzliche Reaktionen hervorruft – Aktivisten sind sauer, Diplomaten begeistert. Hilft der Gipfel von Durban tatsächlich dem Klima?

Drama, Spannung, übernächtigte Delegierte: Der 17. Weltklimagipfel in Durban hat an die Traditionen früherer Gipfel angeknüpft und dabei einen Rekord gebrochen. Noch nie hat eine solche Veranstaltung 14 Tage gedauert. Anderthalb Tage nach dem offiziellen Ende haben die Delegierten aus 195 Staaten am Sonntagmorgen das „Durban Paket“ gebilligt.

Was steckt drin im Paket?

Am wichtigsten ist der Beschluss, bis 2015 einen Weltklimavertrag auszuhandeln, in dem sich alle wichtigen Treibhausgasemittenten verpflichten, weniger Klimagase in die Atmosphäre zu blasen. Damit würden erstmals große Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Südafrika zum Klimaschutz verpflichtet – aber auch die USA, die das Kyoto-Protokoll zwar unterzeichnet, dann aber nicht ratifiziert hatten. Außerdem bekommt das Kyoto-Protokoll eine zweite Verpflichtungsperiode, die 2013 beginnen soll. Wann sie endet, ist allerdings ebensowenig klar wie die Frage, welche Minderungsverpflichtungen für Treibhausgase die 35 darin verbliebenen Staaten übernehmen. Die Kyoto-Länder sind allerdings nur noch für 15 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Beschlossen wurde zudem die Organisationsform eines neuen Grünen Klimafonds, der bis 2020 auf 100 Milliarden Dollar jährlich anwachsen soll. Er soll Entwicklungsländer bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels und beim Aufbau von kohlenstoffarmen Energiesystemen unterstützen. Er wird künftig von einem Aufsichtsrat kontrolliert, dem jeweils zehn Vertreter aus Industrieländern und Entwicklungsländern angehören. Wo das Geld dafür herkommen soll, blieb allerdings weiter offen. Der Waldschutzmechanismus REDD ist nach wie vor nicht beschlossen. Klar ist nur, dass auch private Finanzquellen und Marktmechanismen für den Schutz der globalen Wälder mobilisiert werden sollen.

Wann kommt der Weltklimavertrag?

Es ist das zweite Mandat, das für die Aushandlung eines Nachfolgeabkommens für das Kyoto-Protokoll erteilt worden ist. Schon 2007 beim Weltklimagipfel auf Bali war beschlossen worden, dass ein solcher Vertrag ausgehandelt werden sollte. Was auf den ersten Blick absurd klingt, ist die Folge des katastrophal gescheiterten Weltklimagipfels in Kopenhagen vor zwei Jahren. Damals blieb es unter größtmöglicher Beteiligung von Staats- und Regierungschefs am Ende dabei, dass Staaten freiwillige Angebote zum Klimaschutz einreichen konnten, die der Gipfel jedoch lediglich „zur Kenntnis“ nahm. Erst ein Jahr später wurde das magere Gipfelergebnis dann zu einem UN-Beschluss geadelt. Das UN-Umweltprogramm Unep legte zu Beginn des Gipfels eine Studie vor, die die Lücke beschreibt zwischen den Angeboten und dem Ziel, die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten. Auch die Wissenschaftler des Climate-Trackers haben nach dem Gipfel ernüchtert festgestellt, dass die Welt weiterhin auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung um mindestens 3,5 Grad sei.

Im Gipfelpaket wird das zumindest anerkannt und auf den nächsten Bericht des Weltklimarats 2014 verwiesen, dessen Ergebnisse in das Abkommen einfließen sollen. Der Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser warnte allerdings, dass die unklare Formulierung zur Rechtsverbindlichkeit des Abkommens „Schlupflöcher für die Bremserstaaten USA, Indien und China“ böten, sich am Ende doch zu verweigern. Die Klimaexpertin des World Resources Institute, Jennifer Morgan, bewertete den Beschluss als „Weggabelung zwischen einem rechtlich verbindlichen System und einem freiwilligen“.

Vor allem Indien wehrte sich bis zum Schluss. Die neue Umweltministerin Jayanthi Natarajan sagte im Abschlussplenum: „Wir werden uns hier nicht für ein Scheitern an den Pranger stellen lassen.“ Aber am „Prinzip der Gleichbehandlung“ dürfe nicht gerüttelt werden. Indien versteht das als Recht, pro Kopf genauso viel Kohlendioxid zu emittieren wie etablierte Industrieländer. Der chinesische Chefunterhändler Xie Zhenhua sagte: „Es ist unwichtig, was die Länder sagen. Wichtig ist, was sie tun.“ Karl Hood, Außenminister von Grenada, hatte für das Zögern der Schwellenländer kein Verständnis mehr: „Während sie sich entwickeln, sterben wir. Warum sollten wir das akzeptieren?“

Was wird aus dem Kyoto-Protokoll?

Das Kyoto-Protokoll wird fortgesetzt. Bis Mai 2012 sollen die 35 noch beteiligten Staaten mitteilen, um wie viel sie ihre Treibhausgasemissionen zu senken gedenken. Für das Klima ist der Effekt nahezu wirkungslos. Doch das Kyoto-Protokoll bedingt fast alle anderen Instrumente für den weltweiten Klimaschutz. Ein Emissionshandel zwischen Staaten – also der Kauf von Verschmutzungsrechten zugunsten von Umweltprojekten – wäre nicht mehr möglich, wenn es keinen rechtlichen Rahmen mehr dafür gäbe. Das gleiche gilt für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt, auf dem sich Firmen mit Zertifikaten beispielsweise aus Aufforstungsprojekten eindecken können. Auch die Finanzierung des UN-Anpassungsfonds – eines Programms, mit dessen Hilfe sich Entwicklungsländer an den Klimawandel anpassen können – hängt am Kyoto-Protokoll, weil er über Gebühren finanziert wird. Diese Gebühren werden für Projekte erhoben, mit denen Firmen aus Industrieländern in Entwicklungsländern Emissionszertifikate erwerben können. Mit dem Beschluss bleibt die Klimaschutzarchitektur vorläufig erhalten.

Wie afrikanisch war der Klimagipfel?

Die Gipfelpräsidentin Maite Nkoana Mashabane hat während der zweiten Woche immer wieder in unterschiedlicher Zusammensetzung zu Indabas geladen. Das sind bei den Zulus Versammlungen der Weisen eines Stammes, die unter einem Baum Konflikte klären. Sie zeichnen sich durch lange Diskussionen aus, die nicht immer sehr strukturiert verlaufen. Das warf die französische Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet auch Mashabane vor. „Man hat den Eindruck, dass die südafrikanische Präsidentschaft Zeitvorstellungen hat, die für diese Art von Verhandlungen nicht normal sind“, stöhnte sie. Doch ein altes afrikanisches Sprichwort heißt: „Ihr habt das Geld, wir haben die Zeit.“ Und in gewisser Weise ist Mashabanes Strategie ja auch aufgegangen. Nach drei durchverhandelten Nächten wollten nahezu alle den Kompromiss.

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