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Die Resolution bezeichnet die israelischen Siedlungen als Verletzung internationalen Rechts.

© Reuters

UN-Resolution zum Siedlungsbau: Die Empörung in Israel ist gut zu verstehen

Mit der UN-Resolution zu Israels Siedlungsbau kommt man dem Frieden nicht näher. Gestärkt wird stattdessen die Regierung Netanjahu. Ein Gastkommentar.

Jedes politische Handeln sollte ein rationales Ziel verfolgen und im Hinblick darauf zweckmäßig sein. Daran gemessen war der Beschluss des UN-Sicherheitsrates zum israelischen Siedlungsbau ein Schlag ins Wasser. Wieder einmal ist es gelungen, von außen die Opposition in Israel hinter der Regierung Netanjahu zu versammeln. Die Fronten für einen Neustart eines Friedensprozesses sind weiter verhärtet: Ob Jitzchak Herzog von der sozialdemokratischen Zionistischen Union, Moshe Ya'alon, ehemaliger Verteidigungsminister und Gegenspieler Netanjahus im Mitte-Rechts-Spektrum, oder Yair Lapid von der liberalen Partei Yesh Atid, alle sind sich einige in der harschen Zurückweisung des UN-Sicherheitsratsbeschlusses.

In Israel verstehen viele nicht, warum der UN-Sicherheitsrat einerseits zum Krieg in Syrien kein gemeinsames Agieren zur Beendigung des Krieges zustande bringt, andererseits aber dafür nun Israel in den Fokus nimmt. Und das ist kein whataboutism. 18 Resolutionen in der UN-Vollversammlung gegen Israel in diesem Jahr, weitere im UN-Menschenrechtsrat, ein Unesco-Beschluss, der den Bezug der Juden zu Tempelberg und Klagemauer in Abrede stellt, und nun der Sicherheitsrat. Das ist insgesamt auch nur schwer nachzuvollziehen. Auffällig ist, dass nicht alle Unterstützer der Resolution es selbst mit den darin festgehaltenen Prinzipien immer ganz so genau nehmen: Frankreich hält schützend die Hand über den König von Marokko, der in der besetzten Westsahara marokkanische Bevölkerung ansiedelt, die Russische Föderation zeigt ihr Verhältnis zum Völkerrecht auf der Krim und im Osten der Ukraine und die realpolitische Vernunft gebietet es, über Chinas Geschichte mit Tibet besser ganz zu schweigen.

Auch ein Siedlungsstopp brächte nicht den Frieden

Da kann man das Gefühl in Israel verstehen, hier würde unverhältnismäßig und einseitig gehandelt, auch wenn man die Siedlungspolitik selbst ablehnt und in dem Beschluss des Sicherheitsrates wenig Überraschendes erkennen mag. Auch ein Siedlungsstopp brächte nicht den Frieden, nicht einmal Verhandlungen. Zudem enthielten alle Vereinbarungsentwürfe zwischen der israelischen und palästinensischen Seite Lösungsvorschläge für die Siedlungen: Gebietsaustausch und Aufgabe. Israel hat beim vollständigen Abzug aus dem Sinai in den 80er Jahren sowie beim einseitigen Rückzug aus Gaza 2005 längst gezeigt, dass es bereit ist, für eine Friedensperspektive Siedlungen aufzugeben. Es dürfte in einer Friedensregelung nicht undenkbar sein, dass auch einige jüdische Israelis unter palästinensischer Staatsgewalt leben. Aber die Siedlungsfrage lenkt immer wieder von den Kernfragen einer Friedenslösung ab.

Innenpolitisch motiviert, zum Teil als Reaktion auf Aktivitäten der palästinensischen Seite, getrieben von einer nicht am Ausgleich interessierten rechten Siedlerbewegung, wird immer wieder durch Erweiterungsbeschlüsse das Thema neu auf die Agenda gesetzt. Dadurch gelang es der palästinensischen Führung, von eigenen Problemen abzulenken. Nicht ohne Erfolg, wie man bei der US-Administration und jetzt anhand des Sicherheitsratsbeschlusses sieht.

Es ist richtig: Auch ein Siedlungsstopp brächte nicht den Frieden, nicht einmal Verhandlungen. Dennoch: Die aktuelle Regierung muss wahrnehmen, dass sie sich auch bei ihren Freunden mit der Fortsetzung dieser Politik immer weiter isoliert. Es ist ja richtig - die Siedlungen sind nicht das Haupthindernis zum Frieden. Sie bringen die Zweistaatenlösung aber auch - gelinde gesagt - nicht näher. Der Siedlungsbau ist falsch und völkerrechtlich mehr als fragwürdig. Der Versuch, jetzt weitere vom israelischen Supreme Court für illegal erklärte Siedlungen zu legalisieren, macht es auch nicht besser. Die internationale Politik muss sich von solchen Symboldebatten lösen. Frieden zwischen Jordan und Mittelmeer wird nicht durch Timelines, Resolutionen und Konferenzen erreicht werden. Das ist papierne Diplomatie.

Entscheidend ist die Sicherheitsfrage

Man muss die Sicherheitsfrage beantworten, will man sich nicht im Status quo der ewigen Rechthaberei verheddern: Wie garantiert man tatsächlich und nicht nur auf dem Papier, dass ein palästinensischer Staat dauerhaft entmilitarisiert ist und bleibt und sich der Raketenbeschuss, den Israel für den Abzug aus dem Gazastreifen erntete, nicht wiederholt? Diese Frage müssen nicht nur die Verhandlungsparteien beantworten, sondern auch die Beteiligten am Nahost-Quartett. Das ist meines Erachtens der Schlüssel. Ein weiteres Kardinalproblem ist die palästinensische Führung: Wer hat den Willen und die Kraft, eine Friedensregelung auszuverhandeln, die Ergebnisse dann durchzusetzen und das Ganze politisch zu überleben?

Nein, der Siedlungsbau ist nicht das schwierigste Problem, das auf dem Weg zur Zwei-Staaten-Lösung zu lösen ist. Es ist nur eines unter sehr vielen. Dennoch lohnt es sich auch in Israel, die Resolution des UN-Sicherheitsrates genauer zu lesen. Zum Siedlungsbau, seiner völkerrechtlichen Bewertung und zu den Grenzen steht im Vergleich zu einem ähnlichen Beschluss von 1980 nichts wesentlich Neues im Text. Die USA und die EU inklusive Deutschland haben immer Verhandlungen unterstützt und gefordert, die vom Grenzverlauf von 1967 ausgehen und Änderungen daran von einem Verhandlungsergebnis abhängig machen. Neu ist daran nichts, allenfalls noch, dass die Golanhöhen - vielleicht vor dem Hintergrund des Krieges in Syrien - bei der aktuellen Resolution unter den Tisch fielen.

Was Israel von den USA und der EU verlangen sollte

Wenn der Ärger runtergeschluckt worden ist, kann und sollte Israel von seinen Freunden in Europa und den Vereinigten Staaten verlangen, auch auf andere Aspekte der Resolution Wert zu legen: es wird dort eben auch jede Aktion und Unterstützung des Terrorismus, Gewalt und Provokation verurteilt. Israel könnte dann in den europäischen Hauptstädten etwa fragen: "Deutschland und die EU finanzieren die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah, - das ist ja auch gut so -, aber gleichzeitig werden von der PLO an ehemalige Terroristen oder ihre Familien Märtyrerrenten bezahlt! Das passt nicht zusammen." Berlin und Brüssel sollten darauf antworten: "Wir werden uns im Sinne der Sicherheitsratsresolution dafür einsetzen, diese Förderung des Terrorismus abzustellen."

Auf jeden Fall sollte Europa durch eigenes politisches Handeln dafür sorgen, dass man sich in Jerusalem nicht aus Trotz und Ärger über Barack Obamas Enthaltung künftig allein auf Donald Trumps auftrumpfende Art verlässt. Dass diese Versuchung noch größer wurde, hat das Verhalten der USA im Sicherheitsrat vor Weihnachten wahrscheinlicher gemacht. Man muss den Eindruck haben, Obama sei schlechthin der Kragen geplatzt, mangels eigener Regierungsperspektive ohne Konsequenz für eigenes zukünftiges politisches Handeln, aus Frustration über die gescheiterten israelisch-palästinensischen Gespräche oder Rache für Netanjahus Auftritte in Washington als innenpolitischer Flankenschutz der Republikaner? Nun haben wir die Bescherung: Menschlich verständlich, in der Sache kontraproduktiv.

Volker Beck (Grüne) ist Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages.

Volker Beck

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