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Arbeiter in Schutzkleidung versammeln sich zu ihrem Dienst in Peking.

© Foto: dpa/Andy Wong/AP

Update

Proteste gegen „Null-Covid-Politik“: Bundesregierung empfiehlt China mRNA-Impfstoffe als Kriseninstrument

China hat bisher keine fortschrittlichen ausländischen Impfstoffe wie mRNA-Vakzine zugelassen. Nun könnte Biontech helfen.

Die Bundesregierung hat angesichts der Protestwelle gegen den strikten Corona-Eindämmungskurs in China auf Impfungen als Kriseninstrument hingewiesen. Nach drei Jahren mit der Pandemie müsse man sagen, dass Europa und Deutschland „sehr gute Erfahrungen“ damit gemacht hätten, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin auch mit Blick auf mRNA-Impfstoffe wie den des Herstellers Biontech.

Dies habe auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem jüngsten China-Besuch deutlich gemacht. Zudem gebe es Pläne zu einem Gemeinschaftsunternehmen von Biontech mit einem chinesischen Partner.

Berichte über Proteste in mehreren chinesischen Städten und ein teilweise gewaltsames Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten würden zur Kenntnis genommen, sagte Hebestreit. „Wir beobachten die Entwicklung natürlich weiter sehr eng.“ Die Proteste in China richten sich gegen äußerst rigide Maßnahmen der staatlichen „Null-Covid-Politik“ wie Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne. Eine unbekannte Zahl von Demonstranten wurde festgenommen. Bei Impfkampagnen wurden ältere oder chronisch kranke Menschen oft aus Angst vor Nebenwirkungen ausgenommen, so dass diese besonders gefährdet sind.

Auch hat China keine fortschrittlichen ausländischen Impfstoffe wie mRNA-Vakzine zugelassen, sondern nur seine eigenen herkömmlichen Produkte zum Einsatz gebracht.

Der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour empfahl angesichts der Zustände Unterstützung aus Deutschland. „Es wäre ratsam, wenn Bundeskanzler Scholz der KP (Kommunistischen Partei) in China mehr Impfstoffe anbieten könnte, weil es offensichtlich ist, dass deren Wirksamkeitsgrad anders ist als diejenigen Impfstoffe, die in China eingesetzt werden“, sagte Nouripour am Montag in Berlin.

China müsste da über seinen Schatten springen.

 Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin

Die Bilder von den dortigen Protesten seien „ungewöhnlich und beeindruckend“. Sie zeigten, dass Chinas Strategie im Umgang mit der Pandemie „schlicht gescheitert“ sei, sagte Nouripour. „Daran sieht man, dass dysfunktionale autokratische Systeme eben mit komplexen Krisen nicht klarkommen und dass sie nicht imstande sind, die besseren Lösungen zu liefern als wir in den Demokratien.“

Einem deutschen Corona-Experten zufolge sollte China so schnell wie möglich die Strategie ändern. „Zunächst müsste die Führung unabhängig von Ideologie die Bevölkerung mit den besten derzeit verfügbaren Impfstoffen versorgen“, sagte Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin, am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Das seien aber offensichtlich nicht chinesische Vakzine, sondern angepasste mRNA-Impfstoffe aus westlichen Ländern. „China müsste da über seinen Schatten springen.“

Nach einer breiten Impfkampagne, die zunächst vor allem Risikogruppen adressieren müsste, könnten dann die strengen Corona-Maßnahmen vorsichtig nach und nach gelockert werden. Das Gesundheitssystem dürfe dabei nicht überlastet werden, so Ulrichs. Diese Strategie brauche aber viele Monate Zeit, ähnlich wie zu Beginn der Impfkampagnen in Europa.

Polizisten halten einen Demonstranten in Shanghai fest.
Polizisten halten einen Demonstranten in Shanghai fest.

© dpa/Uncredited

„Die Lage in China ist gefährlich für die Weltwirtschaft, aber auch für die Weltgesundheit“, sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. In einer Bevölkerung, in der so viele noch keine Booster-Impfung erhalten hätten und über geringere Immunität verfügten, sei die Gefahr groß, dass sich das Virus stark verbreite und dadurch noch weiter mutiere. „Das kann für uns alle negative Folgen haben.“

„Die Situation in China geht vor allem auf die politische Entscheidung der Null-Covid-Strategie zurück“, sagte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS. „Das Vorgehen ist aber aus meiner Sicht nicht realistisch durchhaltbar.“

Eine radikale Abkehr von der derzeitigen Strategie mit einem sofortigen Ende aller Maßnahmen wäre allerdings „kontraproduktiv und gefährlich“, so Ulrichs. „Das Virus träfe auf eine Bevölkerung, die fast keinen Immunschutz dagegen hat.“ Die Folge wäre eine massive Durchseuchung, ein überlastetes Gesundheitssystem und viele Kranke und Tote.

Aber auch ein „Weiter so“ ist für Ulrichs keine gute Option. „Dadurch schiebt die Regierung das Problem nur vor sich her.“ Das Land würde auf unbestimmte Zeit in der aktuellen Situation verharren. „Das macht sicher auch die Bevölkerung nicht mehr lange mit.“ Die Menschen bräuchten eine Perspektive, wie China aus der aktuellen Situation herauskommt.

Zwar habe das Land mit seiner Null-Covid-Strategie Zeit gewonnen. Allerdings sei diese nicht genutzt worden, um die Bevölkerung bestmöglich zu impfen und eine vorsichtige Öffnung zuzulassen. Spätestens als klar geworden sei, dass die chinesischen Vakzine nicht so gut wirken, hätte man die Strategie ändern müssen. (dpa)

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