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Politik: Und Beust dankt für die Fairness

Die Koalition aus CDU, Rechtspopulisten und FDP in Hamburg kann weitermachen. Auch Schill mischt wieder mit

Alle sind da, auch Kerner. Ronald Barnabas Schill hat die Medien warten lassen. Erst als die Bürgerschaftssitzung bereits eröffnet ist, schreitet der schlaksige Rechtspopulist die Rathaustreppe hoch und drängt sich im Blitzlichtgewitter auf den Klappstuhl 81 in der letzten Reihe. Während die Parlamentspräsidentin Dorothee Stapelfeldt die Abgeordneten zur Abstimmung über den neuen Innensenator Dirk Nockemann aufruft, gibt Schill von seinem Platz aus Interviews. Dann holt er seinen Stimmzettel. Und als jeder Sender seine Bilder im Kasten hat, verzieht sich der Parteigründer an den Ort, der ihm offenbar wichtiger ist als das Parlament: in die Presseloge. Nach seinem Rauswurf aus dem Senat habe er „eine gewisse Verbitterung“ gespürt, sagt Schill dort, aber jetzt fühle er sich wieder hervorragend: „Ich habe mich an den Wählerauftrag erinnert.“ Nein, „den Roten und Grünen“ werde er nicht zur Macht verhelfen, verkündet er. Schill mischt wieder mit in Hamburgs Politik.

60 Stimmen erhält sein Nachfolger. 121 Sitze hat das Parlament, aber nur 119 Stimmen sind gültig. So reicht es gerade. Matter Beifall kommt auf, kein Jubel. Ole von Beust nickt leicht, als das Wahlergebnis verkündet wird, das vorerst der Koalition aus den Rechtspopulisten, CDU und FDP das Überleben sichert. Vor zwei Jahren war er hier Schill im Saal nach seiner Wahl um den Hals gefallen. Heute würdigt er ihn keines Blickes. Aber seine Macht hängt weiter an den Stimmen der Schill-Partei, auch an der Schills. Nicht wenige aus seiner Fraktion begrüßen den Hinterbänkler per Handschlag. Man braucht sich noch.

„Sie haben keine Mehrheit mehr. Auf der Basis eines Notkartells für den Machterhalt darf man diese Stadt nicht weiterregieren. Herr von Beust, Sie werden die Geister, die Sie riefen, nicht mehr los“, sagt Oppositionschef Walter Zuckerer (SPD) und fordert Neuwahlen: „Ist das nicht eine Katastrophe: Ein Erpresser, der die Innenbehörde führt?“ Auch die Grünen attackieren den Bürgermeister. „Angesichts dessen, was Familien, Kindern, Flüchtlingen angetan wurde, müsste man Sie wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen“, sagt Christa Goetsch. Und sie verspottet CDU und FDP: „Wer sich mit Hunden schlafen legt, muss sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht.“ Von Beust sitzt da mit wie zum Gebet gefalteten Händen, am anderen Ende der Senatsbank hat Roger Kusch Platz genommen, der Justizsenator, dem Schill eine karrierefördernde Liebesbeziehung mit dem Bürgermeister nachgesagt hatte. Als es immer dicker kommt, meldet sich von Beust zu Wort – aber er kontert nur verhalten. In Sachen Schill betreibe die SPD Geschichtsklitterung: „Man muss trennen zwischen der Politik und Äußerungen. Schills Äußerungen haben nie Eingang in die Senatspolitik gefunden.“ Die SPD sei nicht bereit für die Regierungsübernahme – sie habe ja nicht einmal einen Bürgermeisterkandidaten. Und von Beust dankt allen Fraktionen für „persönliche Fairness“ in der schmuddeligen Affäre.

Günter Beling[Hamburg]

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