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Wer plante den Anschlag auf den rechtspopulistischen Politiker?

© Illustration: Anna Krauß

"Und erlöse uns von allen Üblen" #5: Ein Schreibtischmörder bekommt sein Todesurteil

Auf einem Tonband gibt es Beweise, dass der Parteichef der Nationalen Alternative rechte Verbrechen initiiert hat. Doch jemand hat die Aufnahme unbrauchbar gemacht. Ein geheimes Tribunal tritt zusammen. Ein Fortsetzungsroman.

Was bisher geschah: In Hamburg wartet ein Mörder darauf, den Parteichef der Nationalen Alternative zu erschießen. Über seine Vergehen haben vier Männer in Frankreich beraten.

In 100 Teilen bis zur Bundestagswahl 2017 erscheint der Politkrimi "Und erlöse uns von allen Üblen" online als Fortsetzungsroman im Tagesspiegel. Hier Folge 5 vom 20. Juni.

Red ließ sich immer noch nicht beeindrucken: "Schön und gut oder besser schlecht, aber Beweise, Beweise, my friend. Du hast uns immer noch keine genannt." Sein Freund löste nun doch die Krawatte und atmete tief durch: "Zufällig habe ich doch ein paar. Bei einer geheimen Sitzung mit seinem engen Führungskreis in der Schweiz ist er abgehört worden. In seiner Jagdhütte. Dort haben die nichts Böses vermutet, vor allem keine Richtmikrophone. Schönes Material, eindrucksvolles Material, aber zweifellos illegal besorgt, das wird von keinem Gericht als Beweis anerkannt."

"Und was war auf dem Band zu hören?"

"Eindeutig der Befehl zu einer Brandstiftung. Mit allen möglichen Konsequenzen, auch Mord. Es sollte so gedreht werden, dass man linke Autonome als Täter hinstellen kann oder noch besser ein paar Ausländer. So nach dem Motto: Guckt mal, die zünden sich bei uns schon gegenseitig an, also schmeißt sie endlich alle raus. Die Stimmung bei uns ist derzeit entsprechend. Leider haben die damals nicht gesagt, wo sie was anzünden wollen und wann, sonst hätte man unauffällig jemand warnen können. Als es dann wenig später bei einem Anschlag zehn Tote gab, wussten wir zwar mehr, aber da war es zu spät. In jeder Beziehung zu spät, auch für die Menschen, die dort erstickt sind."

"Aber warum, verdammt, habt ihr ihn nicht festgenommen, bevor etwas passiert ist?", unterbricht ihn jetzt der Holländer, "ihr hattet ihn doch offenbar auf Band und damit eindeutige Belege  für die Planung einer schweren Straftat."

"Wie gesagt: Es war keine offizielle Aktion von EUROPOL. Die Schweizer Kollegen wussten nichts davon. Ich war, sagen wir mal, in geheimer Mission vor Ort.«

Keiner fragte, wie er das mit den Richtmikrophonen gemanagt hatte. Das schien für alle ein normales Betätigungsfeld zu sein, nicht der Rede wert. Handwerkszeug sozusagen. "Beim BKA war ein anonymer Hinweis auf das Treffen eingegangen. Die konnten damit nichts anfangen, weil gegen Freypen kein Verdacht auf strafbare Handlungen vorlag, der Ermittlungen erlaubt hätte, also..."

" ... also hast du aufgrund deiner alten Verbindungen in deine ehemalige Abteilung ein wenig klandestine Amtshilfe geleistet", ergänzte Red den Satz.

"So könnte man es ausdrücken", antwortete der Deutsche.

"Aber du hattest doch immerhin die Kassette mit der Aufzeichnung. Ich verstehe immer noch nicht, warum deine ehemaligen beim BKA mit einem solchen hörbar eindeutigen Beweis nicht aktiv geworden sind."

Der Deutsche zögerte ein wenig, bevor er antwortete, und schien dabei jedes Wort abzuwägen. "Ich habe das Band meinem ehemaligen Chef geschickt. Ohne Absenderadresse, klar. Als nichts geschah, habe ich meinen Nachfolger kontaktiert und dabei erfahren, dass auf dem Band, das sie und ihr Abteilungsleiter und ein Richter gemeinsam abhörten, nur verzerrtes Stimmengewirr zu hören war. Also keine konkreten Ansätze für einen Haftbefehl«.

"Aber du hattest doch alles deutlich gehört?"

"Stimmt, ich könnte dir manche Sätze noch wörtlich aufschreiben, aber das hilft ja nichts. Das Band ist wertlos. Wie auch immer das passiert ist, denn als ich es abschickte, war alles darauf deutlich und klar zu hören."

"Glaubst du an Zufälle?", fragte scheinbar ganz unschuldig der Franzose.

"Nein. Aber ohne Beweise in der Hand nützt mir der feste Glauben nichts. Auch deshalb ist Freypen mein Kandidat. Ein  klassischer Schreibtischmörder, der sich unangreifbar fühlt. Ein ideales Zielobjekt."

"Zielobjekt ist gut, das gefällt mir", freute sich der Franzose, "das ist hübsch gesagt, sehr hübsch."

"Wenn wir nichts tun, tut keiner was. So viel zumindest ist klar. Aber falls wir ihn ausschalten, wird das sicher ein paar Leuten das Leben retten", beendete der Deutsche sein Plädoyer, bei dem er sich nicht ein einziges Mal aus dem Stuhl erhoben hat: "Also soll er sterben."

"Woher willst du wissen, dass seine seltsamen Kameraden dann nicht mehr morden? Dass die aufhören, nur weil es ihn nicht mehr gibt?", fragte ihn der Holländer und drückte erneut angewidert hustend und nunmehr endgültig seine Zigarre aus.

"Ohne Freypens Geld ist zwar die Partei nicht am Ende, einen gewissen Prozentsatz von Idioten, die bei denen ihre Kreuzchen machen, gibt es immer, aber ihre ganz besondere Aktionstruppe wird sie nicht mehr finanzieren können. Mord in wessen Namen auch immer ist auf Dauer einfach nicht zu bezahlen."

"Er kann sein Vermögen den Parteifreunden doch schon längst per Testament vermacht haben", widersprach der Engländer, "dann geht es weiter mit den Anschlägen und sein Tod ändert gar nichts und wir haben uns vergeblich angestrengt."

"Kann er nicht, seine Frau wird erben, und die hat zwar ebenfalls eine Meise, aber keine so mörderische, wie wir gehört haben, nur eine esoterische. Die schmeißt dann hoffentlich die Millionen irgendwelchen Wunderheilern in den Rachen, was uns aber nichts angeht."

"Und wie willst du es machen? Das hast du uns noch gar nicht gesagt."

"Darüber denke ich noch nach, Hilfe brauche ich auch, allein ist es nicht zu schaffen," und er blickte fragend auf den anderen Junggesellen in der Runde, den Franzosen. Der nickte ihm zu. "Ich wollte aber erst einmal die Abstimmung abwarten."

Er schloss die Augen, als habe ihn sein eher beiläufiger Antrag auf Verhängung der Todesstrafe vor diesem seltsamen Tribunal erschöpft, aber das täuschte. Stets konzentrierte er sich mit geschlossenen Augen, das war schon bei den schriftlichen Prüfungen so, die sie einst gemeinsam bestanden haben.Wer ihn so gut und so lange kannte wie seine Freunde, ahnte deshalb, dass er längst einen festen Plan für den Mord hatte.

"Sehr gut, lasst uns abstimmen", verlangte der Franzose, "ich bin müde." Er hob die Hand: "Allons enfants, vorwärts Leute, ich bin dafür." Der Holländer neben ihm folgte seinem Beispiel, nur unmerklich zögernd. Der Deutsche öffnete die Augen und meinte lakonisch, dass er selbstverständlich für den Mord sei, denn sonst hätte er ja wohl nicht den Fall Freypen so lange vorgetragen. Dann nickte auch der Engländer : "Okay", sagte Red und blickte noch einmal in die Runde: "Keine Gegenstimme und damit laut Satzung beschlossen. Wie sagt man bei euch in Deutschland? Auf gutes Gelingen?" Dabei lächelte er: "Die letzte Bemerkung muss aber aus dem Protokoll gestrichen werden."

Als er merkte, dass keiner über den Scherz mit dem Protokoll lachen konnte, wurde er wieder ernst und fügte hinzu: "Dann lasst uns eben auf Kleopatra trinken, Gentlemen." Da hoben alle ihr Glas und prosteten sich erst gegenseitig zu, anschließend drei von ihnen dem, der den Mord organisieren und ausführen musste: "Auf Kleopatra!"

Und morgen lesen Sie: Der Zeitpunkt der Tat ist gezielt gewählt. Freypen hatte einen großen Auftritt geplant.

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